Frankfurter CDU nahm illegale Parteispende aus Aserbaidschan an – keine Strafe

Die Frankfurter CDU hat nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de, WDR und Süddeutscher Zeitung im Februar 2012 zwei rechtswidrige Spenden aus Aserbaidschan angenommen. Die Überweisungen in einer Gesamthöhe von 28.000 Euro stammten vom staatlichen Öl- und Gaskonzern SOCAR, für den Deutschland ein wichtiger Absatzmarkt ist. Nach jahrelanger Überprüfung der Spenden hat die Bundestagsverwaltung jetzt - über fünf Jahre später - einen Verstoß gegen das Parteiengesetz festgestellt. Doch die CDU kommt ohne Strafzahlung davon.

von Martin Reyher, 25.10.2017
Unternehmensspende (Symbolbild)

Gerade hatte sich die erste Aufregung um eine aus aserbaidschanischen Quellen bezahlte Tätigkeit der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz gelegt, da gerät eine andere CDU-Verbindung nach Aserbaidschan in den öffentlichen Fokus.

Es geht um zwei Spendenzahlungen in einer Gesamthöhe von 28.000 Euro, die der staatliche Energiekonzern SOCAR nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de, WDR und Süddeutscher Zeitung im Februar 2012 an den CDU-Kreisverband Frankfurt überwies. Es folgte eine mehrjährige Überprüfung durch die Bundestagsverwaltung, die erst in der vorvergangenen Woche – am 12. Oktober – abgeschlossen wurde. Ergebnis: Die Spenden von SOCAR waren illegal, mit ihrer Annahme verstieß die Frankfurter CDU gegen das deutsche Parteiengesetz. Diese von der Bundestagsverwaltung mitgeteilte Rechtsauffassung habe die CDU „akzeptiert“, so ein Parlamentssprecher.

Niemand machte sich kundig, ob die Spende problematisch sein könnte

 

 

 

CDU-Bundesgeschäftsstelle Berlin
CDU-Parteizentrale in Berlin | Foto: Thomas Riehle / Wikipedia / CC-BY-SA-2.0-DE

Die beiden Spenden waren Anfang 2012 von SOCAR (State Oil Company of Azerbaijan Republic) auf das Konto der Frankfurter CDU überwiesen worden: eine am 27. Februar (3.000 Euro), die andere zwei Tage später (25.000 Euro). In der Kreisgeschäftsstelle hätten damals eigentlich alle Alarmglocken schrillen müssen, denn Konzernspenden aus dem Nicht-EU-Ausland sind nach dem deutschen Parteiengesetz verboten, ein Verstoß kann mit einer Strafzahlung in dreifacher Höhe des Spendenbetrags geahndet werden. Doch obwohl die Überweisung offenkundig von einem ausländischen Unternehmen kam, machte sich in der Frankfurter CDU offenbar niemand kundig, ob die Spende nicht problematisch sein könnte.

Warum, das erklärt man beim CDU-Kreisverband heute so: Die Überweisung sei von einem deutschen Konto unter Angabe einer deutschen Firmenadresse gekommen. Deswegen habe man sie für unbedenklich gehalten.

Eigenwilligen Umgang mit den Parteifinanzen

Erstaunen kann einen die vermeintliche Ahnungslosigkeit allerdings schon. Denn gut zwei Wochen vor dem Eingang der SOCAR-Spenden war ein juristischer Vollprofi zum Schatzmeister der Kreis-CDU gewählt worden: der Rechtsanwalt, Notar und frühere Justitiar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Gres. In jener Zeit pflegte die Frankfurter CDU einen recht eigenwilligen Umgang mit den Parteifinanzen. Selbst gegenüber Parteimitgliedern soll sie den Kassenstand geheim gehalten haben – Begründung: Diesen habe man „noch nie“ öffentlich gemacht, so erklärte es Gres 2014. Im Lichte der SOCAR-Zahlungen zwei Jahre zuvor ist dies ein nicht ganz uninteressanter Randaspekt. 

 Die Brisanz der Aserbaidschan-Spenden fiel im September 2013 dann in der Berliner Parteizentrale auf, nachdem dort der testierte Rechenschaftsbericht des CDU-Landesverbandes Hessen für 2012 eingegangen war. „Unverzüglich und umfassend“ habe man daraufhin den Sachverhalt gegenüber der Bundestagsverwaltung offengelegt und um eine rechtliche Bewertung der Spenden gebeten, beteuert die CDU-Zentrale.

Bundestagsverwaltung wollte zunächst Strafe verhängen

Schnell war klar, dass die Überweisungen als illegale Auslandsspenden zu bewerten sind – selbst wenn sie von der Deutschland-Dependence des Unternehmens kamen. Am 16. September 2013 führte die Partei die rechtswidrig angenommene Spende an den Bundestag ab.

Auch wenn die Bundestagsverwaltung die CDU Ende 2013 „zu einer beabsichtigten Sanktion“ anhörte – also damals eine Strafzahlung verhängen wollte – kommt die Partei am Ende ohne Geldstrafe davon. „Die Bundestagsverwaltung sieht bisher keinen Grund zu der Annahme, dass die Partei von Anfang an von einer Unzulässigkeit der Spende ausging,“ so ein Bundestagssprecher. Anders gesagt: Die CDU-Bundespartei kann juristisch nicht dafür haftbar gemacht werden, wenn man bei der Frankfurter CDU eine illegale Spende annimmt. Dieser Präzedenzfall könnte der Bundestagsverwaltung in Zukunft noch einige Probleme bereiten.

Die Verwaltung begründet ihre Rechtsauffassung mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2016, in dem es um Strafzahlungen an die FDP im Möllemann-Spendenskandal ging. Durch das Urteil sei es für Parteien einfacher geworden, eine Sanktionsbefreiung zu erreichen.

Parteispende aus "sozialer Verantwortung"

 

 

 

 

 

Screenshot www.socar.de vom 24.10.2017
SOCAR-Deutschland-Chef Elmar Mamedov, Thomas Bareiß (CDU)

Dass SOCAR der Frankfurter CDU 2012 insgesamt 28.000 Euro zukommen ließ, dafür hat das Unternehmen heute eine eigentümlich klingende Begründung: Die Spende sei im Rahmen seiner „sozialen Verantwortung“ erfolgt, genauso unterstütze man deutsche Kultur- und Sportvereine sowie studentische Organisationen, erklärte der Deutschland-Chef von SOCAR, Elmar Mamedov, auf die Frage nach dem Spendenmotiv (s. dazu auch das Update am Ende dieses Artikels). Im Übrigen halte man den Meinungsaustausch mit politischen Funktionsträgern wegen „der geopolitischen Bedeutung Aserbaidschans und SOCARs“ für wichtig. In Gesprächen mit Volksvertretern erfahre man, „was die Bürgerinnen und Bürger der Länder bewegt, in denen wir tätig sind.“

Mit welchen Funktionsträgern sich der aserbaidschanische Staatskonzern hierzulande über die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger austauscht, ist u.a. auf der deutschen Unternehmenswebseite zu sehen. Fotos zeigen den obersten Deutschland-Lobbyisten von SOCAR u.a. mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß, EU-Kommissar Günther Oettinger und der früheren Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU).

 

 

 

SOCAR war an Reisen von Bundestagsabgeordneten beteiligt

Auch sonst ist SOCAR um einen engen Kontakt zur Politik bemüht. Als 2015 eine deutsche Parlamentariergruppe unter dem Vorsitz der Abgeordneten Karin Strenz nach Aserbaidschan reiste, wurde die Tour von dem Ölkonzern „organisatorisch unterstützt und begleitet“, wie der Tagesspiegel unter der Überschrift „Unkritischer Besuch bei Diktator Ilham Alijew“ hinterher schrieb.

Drei Jahre zuvor war der damalige Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs auf Kosten der aserbaidschanischen Botschaft nach Baku geflogen – dort empfing ihn der stellvertretende SOCAR-Chef in der Konzernzentrale. 

War die SOCAR-Spende an die CDU die einzige, die der aserbaidschanische Energiemulti an eine deutsche Partei überwies? Dazu wolle man sich nicht äußern, so der SOCAR-Deutschland-Chef – aus „Datenschutzgründen“.

Angelegenheit kommt für die CDU zur Unzeit

Auch wenn sie mit einem blauen Auge davon gekommen ist, kommt die pikante Angelegenheit für die CDU zur Unzeit. Erst kürzlich hatten Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin Report Mainz die geschäftliche Verbindung der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz zu einer aus Aserbaidschan finanzierten Lobby-Firma aufgedeckt. Für ihre vermeintliche Beratertätigkeit im Zeitraum November 2014 bis Januar 2015 erhielt die Politikern zwischen 14.000 und 30.000 Euro. Da Strenz u.a. wenige Monate später im Europarat als einzige deutsche Abgeordnete gegen eine Aserbaidschan-kritische Resolution zu politischen Gefangenen stimmte, steht der Vorwurf der Abgeordnetenbestechung im Raum.

Aserbaidschan und die Menschenrechte

Aserbaidschan werden massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Internationale NGOs wie Human Rights Watch prangern willkürliche Inhaftierungen von Regierungskritikern und Journalisten an. In der Rangliste der Pressefreiheit 2017 von Reporter ohne Grenzen liegt das Land auf Platz 162 von 180 Staaten. Aus Sicht der OSZE war die letzte Präsidentschaftswahl von 2013 „untergraben von Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“. Transparency International führt Aserbaidschan im Korruptionswahrnehmungsindex aktuell auf Rang 123 von 176 Staaten.

Dem autoritären Regime werden Korruption und die massive Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen (s. Kasten). Aserbaidschan ist deshalb um ein positives Image bemüht. In den vergangenen Jahren richtete das Land mehrere internationale Großveranstaltungen wie den Eurovision Songcontest, die Europaspiele oder Formel 1-Rennen aus. Der Staatskonzern SOCAR ist offizieller Sponsor des europäischen Fußballverbandes UEFA.

Das Energieunternehmen verfolgt in Deutschland und der EU große wirtschaftliche Interessen. Aserbaidschan, mit rund 10 Mio. Einwohnern etwa so groß wie Portugal, ist einer der großen Rohöllieferanten, im deutschen Importranking lag das Land zuletzt - noch vor Saudi-Arabien - auf Rang 8. Seit einigen Jahren baut SOCAR zusammen mit Partnern an einer Milliarden teuren Pipeline, die die Europäische Union spätestens 2020 mit aserbaidschanischem Erdgas versorgen soll („südlicher Gaskorridor“). Das Projekt hatte sich 2013 mit Unterstützung des damaligen EU-Energiekommissars Günther Oettinger (CDU) gegen das Konkurrenzvorhaben "Nabucco" durchgesetzt.

Deutschland ist neben Rumänien eines von zwei EU-Ländern, in denen SOCAR nach eigenen Angaben eine Niederlassung hat. Diese liegt in: Frankfurter am Main.

Berichterstattung zur Recherche:

Update: 5.10.2018:

Bei unserer Recherche zu den SOCAR-Zahlungen an die CDU waren wir auch auf eine Spende des aserbaidschanischen Energiekonzerns an den rheinland-pfälzischen Fußballverein TuS Dexheim aus dem Jahr 2014 gestoßen. Die 3.000 Euro hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Marcus Held, damals Mitglied des Energieauschusses im Bundestag, vermittelt, wie er auf seiner Webseite angab. Nachdem kürzlich die Lokalpresse die Geschichte unter Berufung auf die abgeordnetenwatch.de-Recherche aufgriff, ist die SOCAR-Zuwendung an den TuS Dexheim zu einem Politikum geworden. Der Verein fühlt sich mit der Spende inzwischen ziemlich unwohl. Dies liegt zum einen daran, dass gegen den SPD-Abgeordneten Held gerade staatsanwaltliche Ermittlungen wegen fragwürdiger Grundstücksgeschäfte laufen, in dessen Folge er kürzlich sein Bürgermeisteramt in der Nachbargemeinde Oppenheim verlor. Zum anderen findet man es merkwürdig, dass ein Weltkonzern aus dem fernen Kaukasus sein Herz für einen Amateurverein in einer 1.500 Seelen-Gemeinde entdeckt hat. Der Vereinsvorsitzende des TuS Dexheim, Christian Bachmann, formulierte es gegenüber der Lokalzeitung so: 

„Die Spende kam damals kommentarlos. Wir haben uns alle schon lange gefragt, warum so ein Konzern für uns spendet.“

Die Allgemeine Zeitung schreibt:

"Ist der TuS Dexheim Spielball der Lobbyarbeit eines aserbaidschanischen Staatskonzerns im Bundestag geworden? Welche Rolle hat Held dabei gespielt? Gehört er, wie Bachmann fragt, gar zu einer „Aserbaidschan-Connection“, die speziell neue junge Abgeordnete mit Lobbyarbeit in deren Wahlkreisen umschmeichelt? Bisher fehle es ihm dazu an Informationen und Hintergründen, sagt Bachmann, aber seine Haltung ist umso klarer: 'Ich halte das Unternehmen SOCAR für fragwürdig, deshalb will ich das Geld nicht und würde es am liebsten zurücküberweisen. Aber das kann ich nicht allein entscheiden.'"

Nun sollen die Vereinsmitglieder gefragt werden, wie mit der SOCAR-Spende verfahren werden soll: behalten oder zurück geben. Nach einer Vorstandssitzung in dieser Woche teilte der Verein laut Allgemeiner Zeitung mit

„Da wir gegenüber den Mitgliedern sowohl finanziell als auch wertebezogen in der Verantwortung stehen, haben wir uns dazu entschlossen, die Mitglieder über den Sachverhalt auf Basis gesicherter Faktenlage entscheiden zu lassen.“

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