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Hubertus Heil
SPD
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Frage von Juergen V. •

Frage an Hubertus Heil von Juergen V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Heil,

mit heutigen Pressemitteilungen wird verkündet, dass die geplante Erhöhung der Mütterrente aufgrund "technischer Probleme" nicht wie vorgesehen am 1.1.2019 umgesetzt wird.
Welche technischen Probleme lagen vor?

Eine weitere Frage bezieht sich auf die Erhöhung der Obergrenze der Parteifinanzen um 15 Prozent vom 15.Juni 2018. Sie haben in namentlicher Abstimmung der Erhöhung zugestimmt Des Weiteren wurden eine Erhöhung der Diäten und Fraktionsgelder mit der Regierungsmehrheit beschlossen.

Die SPD hat in den GROKO Verhandlungen immer betont, dass für sie erst das Land dann die Partei kommt.
Trifft diese Aussage noch zu?

Für die Beantwortung bedanke ich mich mit freundlichen Grüßen

J. V.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr V.,

vielen Dank für Ihre Fragen und entschuldigen Sie bitte die späte Antwort von mir.
Sie haben eine Frage zu dem Thema Mütterrente und eine Frage zur Änderung des Parteiengesetzes gestellt.
Mit dem Rentenpakt vergangenen Sommer haben wir die sogenannte Mütterrente ausgeweitet. Müttern und Vätern, die beruflich eine Pause eingelegt und sich um ihre vor 1992 geborenen Kinder gekümmert haben, werden Erziehungszeiten besser anerkannt. Ihnen wird seit dem 1. Januar 2019 ein weiteres halbes Jahr Kindererziehung angerechnet. Das führt zu einer spürbaren Verbesserung der Rente für rund zehn Millionen Menschen, die sich um ihre Kinder gekümmert haben.
Seit dem 1. Januar 2019 erhält jede Berechtigte und jeder Berechtigter, der bzw. die neu in die Rente eintritt diese Leistungsverbesserung. Bei den Müttern und Vätern, deren Rente vorher begonnen hat, wird die Reform im Laufe der ersten Jahreshälfte 2019 umgesetzt. Seit März 2019 erhalten die Bezugsberechtigten sukzessive die zum 1. Januar 2019 rückwirkenden Auszahlungen. Grund dieser Verzögerung ist, dass für alle Bestandsrentner eine Neuberechnung der Rente notwendig war und dies länger als zunächst geplant gedauert hat.
Sie fragten auch, warum ich für eine Erhöhung der Obergrenze der Parteienfinanzierung am 15. Juni 2018 gestimmt habe. In Deutschland gibt es eine staatliche Teilfinanzierung der Parteien. Diese dient der Wahrung der Chancengleichheit der Parteien, damit nicht Parteien, die auf Grund ihrer politischen Positionen viele und hohe Spenden - etwa von finanzstarken Konzernen - erhalten, im politischen Wettbewerb bevorteilt werden.

Die Kriterien für die staatliche Finanzierung sind im Parteiengesetz transparent und nachvollziehbar geregelt. Die Finanzierung der politischen Parteien ist außerdem durch eine Obergrenze gedeckelt. Seit 2013 wird diese absolute Obergrenze jährlich gemäß eines vom Statistischen Bundesamt ermittelten und für Parteiausgaben typischen, Preisindexes angepasst. Dieser Index berücksichtigt steigende Kosten in den Bereichen, die der Index abbildet, also im Wesentlichen die Inflation. Erstmals seit dem Jahr 2011 wurde die absolute Obergrenze für die Gesamtsumme der staatlichen Mittel, mit denen in einem Jahr alle Parteien unterstützt werden, einmalig von 165 Mio. Euro auf 190 Mio. Euro erhöht werden.

Die Erhöhung ist notwendig, da die oben genannten Kriterien keine Kosten berücksichtigen, die den Parteien durch erhebliche Veränderungen politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen im Rahmen der ihnen durch Art. 21 Absatz 1 Satz 1 unseres Grundgesetzes übertragenen Aufgaben entstehen. Solche Veränderungen haben in den letzten Jahren stattgefunden.

Wir erleben überall die Digitalisierung unserer Welt. Industrie 4.0, Arbeit 4.0, Big Data, Social Media, usw. sind die Stichworte, die wir alle kennen. Die Meinungsbildung in unserer Demokratie findet zunehmend in einem „digitalen Kontext“ statt. Nicht nur die Wirtschaft und insbesondere die Medien investieren massiv in die Digitalisierung. Vor allem die Feinde der Demokratie nutzen das Internet und die Sozialen Medien massiv für ihre demokratiefeindliche Propaganda, Hetze gegen Andersdenkende und die Verbreitung von Fake News. Gezielte Kampagnen beeinflussen immer mehr im Netz nicht nur die Entwicklung der öffentlichen Meinung, sondern sie beeinflussen in entscheidender Weise mittlerweile auch den Ausgang von Wahlen.

Politische Willensbildung findet immer weiter zunehmend digital statt. Parteien haben den verfassungsmäßigen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Ob sie wollen oder nicht, auch sie müssen zur Sicherstellung dieses Auftrages die neuen digitalen Kommunikationswege aktiv nutzen und auf den neuen Plattformen präsent sein. Die Kommunikation muss dabei auch online in einem geschützten Raum stattfinden können, muss darüber hinaus gegen Cyberangriffe geschützt werden und wird dadurch technisch und finanziell gleichsam anspruchsvoller. Neue Instrumente der innerparteilichen Willensbildungs- und Beteiligung sowie anspruchsvollere Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen erhöhen den Aufwand noch einmal erheblich.

Um den Parteien die Wahrnehmung dieser neuen Aufgaben und Erfordernisse im Rahmen ihres Verfassungsauftrages zu ermöglichen, wurde die absolute Obergrenze einmalig angehoben werden. Künftig gilt dann wieder die jährliche Anpassung nach dem Preisindex.

Der zuständige Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen eine öffentliche Sachverständigenanhörung durchgeführt. Alle Sachverständige und Experten haben bestätigt, dass die unabhängige Finanzierung für die politischen Parteien notwendig sei und sich bewährt habe. Auch die Anhebung der absoluten Obergrenze um 25 Millionen sei absolut verhältnismäßig. Es wurde auch noch einmal betont, dass das gegenwärtige System der staatlichen Parteienfinanzierung transparent sei und im Moment durch keine besseren Konzepte ersetzt werden könne. Dieses sehr transparente System, das auch eine jährliche Veröffentlichung der Parteienfinanzierung garantiere, sei auch besser als dubiose Geldquellen bekannter populistischer Parteien. Die staatliche Parteienfinanzierung sei keine Selbstbedienung, das stehe den Parteien zu, um mithalten und von Spendern und wirtschaftlicher Einflussnahme unabhängig arbeiten zu können. Es ist auch abschließend festzuhalten, dass die staatliche Parteienfinanzierung weniger als 50 Prozent der Gesamteinnahmen der Parteien ausmacht.

Nicht nur die SPD, sondern alle – auch alle im Bundestag vertretenen – Parteien werden jetzt höhere staatliche Zuwendungen erhalten.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
Hubertus Heil

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