Der Bundestag im Umbau
Wer darf was im Bundestag ?

Was unterscheidet Fraktionen von Gruppen?

Durch die Auflösung der Linksfraktion gibt es zukünftig mehrere neue Gruppen im Deutschen Bundestag geben. Was bedeutet das für die parlamentarische Arbeit? Welche Funktion erfüllen Fraktionen überhaupt? Und welche Unterschiede gibt es zwischen Fraktionen, Gruppen und fraktionslosen Abgeordneten? Wir klären auf.

von Alexander Kukuk, 14.11.2023

So ist die Ausgangslage

Innerhalb der Linksfraktion brodelt es schon länger gewaltig. Am 23. Oktober 2023 erklärten Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter:innen offiziell die Absicht zur Gründung einer neuen Partei mit dem vorläufigen Namen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Nun hat die Linksfraktion ihre Auflösung für den 6. Dezember 2023 bekannt gegeben. Die Linke erreichte bei der Bundestagswahl im September 2021 lediglich 4,9 Prozent der Zweitstimmen und zog nur dank drei gewonnener Direktmandate (Grundmandatsklausel) in den Bundestag ein. Die Fraktionsgröße im 20. Deutschen Bundestag lag mit 38 Abgeordneten hauchdünn über der Mindestgröße. Um die Folgen der Auflösung zu verstehen, werfen wir einen genaueren Blick auf Fraktionen und Gruppen.

Was zeichnet eine Fraktion aus?

Fraktionen bilden sich nach einer Wahl und bestehen aus den direkt und indirekt (über Listenplätze) gewählten Abgeordneten. Zu einer Fraktion können sich nur Abgeordnete derselben Partei oder solcher Parteien zusammenschließen, die ähnliche politische Ziele verfolgen und in keinem Bundesland miteinander konkurrieren. Diese Sonderregelung ermöglicht es z.B. den Parteien CDU und CSU gemeinsam die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zu bilden. Jede Fraktion muss mindestens fünf Prozent der Abgeordneten des Bundestags auf sich vereinen. Scheiden im Laufe der Legislatur Abgeordnete aus kleinen Fraktionen aus, können diese dadurch ihren Fraktionsstatus verlieren (siehe Gruppe).

In unserer Parteiendemokratie repräsentieren die Fraktionen die verschiedenen politischen Parteien im Parlament. Während es innerhalb der Fraktionen verschiedene Strömungen gibt und intensive Debatten über Sachthemen stattfinden, treten Fraktionen nach außen überwiegend geschlossen auf. Im Plenum des Bundestags wird in der Regel fraktionsweise geschlossen abgestimmt (Fraktionsdisziplin).

Viele Rechte im Parlament hängen grundsätzlich vom Fraktionsstatus ab. Die Fraktionen der Regierungskoalition versuchen oft, die Vorhaben der Regierung zu unterstützen, während die Fraktionen der Opposition hauptsächlich eine Kontroll-, Kritik- und Alternativfunktion gegenüber der Regierung ausüben. Alle Fraktionen haben die Möglichkeit Kleine und Große Anfragen zu stellen, aktuelle Stunden und namentliche Abstimmungen einzuberufen oder Gesetzesentwürfe einzubringen (siehe Abstimmungs-ABC). Die Redezeiten im Plenum des Bundestags werden fraktionsweise zugeteilt und orientieren sich an der jeweiligen Fraktionsgröße. Auch die Besetzung der Ausschüsse liegt in der Hand der Fraktionen und wird nach der Fraktionsgröße bestimmt. Schließlich dürfen nur Fraktionen Vorschläge zur Wahl des:r Bundeskanzler:in einreichen.

Neben diesen Rechten im Parlament werden Fraktionen auch besondere Ressourcen zuteil. Sie bekommen beispielsweise gesonderte Büro- und Sitzungsräume sowie Logistik im Bundestag bereitgestellt und erhalten Gelder aus dem Bundeshaushalt, mit denen sie Mitarbeitende anstellen können. Durch die Auflösung der Linksfraktion im Bundestag droht 108 Fraktionsmitarbeitenden der Jobverlust.

Wie unterscheiden sich Gruppen von Fraktionen?

Schließen sich Abgeordnete im Parlament zusammen, die nicht die notwendige Mindestanzahl von fünf Prozent der Sitze im Parlament zur Bildung einer Fraktion erreichen, können diese lediglich eine Gruppe bilden. Obwohl das Parlament in der Regel aus Fraktionen und wenigen fraktionslosen Abgeordneten besteht, gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Zusammenschlüsse von Abgeordneten mit ähnlichen politischen Zielen, die als eigenständige Gruppe anerkannt wurden. Anfang der 1990er Jahre waren beispielsweise die Grünen und die PDS als Gruppen im Deutschen Bundestag vertreten. Interessanterweise sind die Rechte, die einer Gruppe im Bundestag zustehen, nicht einheitlich geregelt sondern werden in jedem Einzelfall aufs Neue definiert. Eine Gruppe muss also zunächst einen Antrag auf Anerkennung stellen, der Bundestag entscheidet dann über die genaue Ausgestaltung der Rechte und auch darüber, wie viele finanziellen Mittel die Gruppe vom Bundestag erhält.

Allgemein sind die Rechte von Gruppen gegenüber Fraktionen eingeschränkt und auch die staatlichen finanziellen Zuschüsse von Gruppen fallen geringer aus. In der Vergangenheit konnten Gruppen in der Regel keine:n Vizepräsident:in im Bundestag stellen und auch keinen Ausschussvorsitz übernehmen. Auch die Mitgliedschaft in besonderen Ausschüssen ist an den Fraktionsstatus gekoppelt. Im Plenum des Bundestags fehlt Gruppenmitgliedern das sogenannte Zitierrecht, sie können also kein Regierungsmitglied herbeirufen. Das Recht zur Zählung von Abgeordneten, um die Beschlussfähigkeit des Parlaments festzustellen, liegt auch ausschließlich bei den Fraktionen. Zudem können Gruppen keine namentlichen Abstimmungen beantragen.

Außer der anteiligen Berücksichtigung der Gruppenmitglieder in parlamentarischen Gremien sind nur wenige Rechte klar definiert. Im Bundestagsplenum wird die Redezeit proportional zur Gruppenstärke zugeteilt. Außerdem dürfen Gruppen jeweils ein Mitglied in den Ältestenrat entsenden. In der Vergangenheit durften Gruppen zudem nach Genehmigung durch den Bundestag weiterhin Anträge, Entschließungsanträge und Gesetzentwürfe in den Bundestag einbringen und auch Kleine und Große Anfragen stellen. Welche Rechte die zukünftigen Gruppen im Bundestag im Einzelnen haben werden, wird sich also erst nach der Genehmigung durch den Bundestag entscheiden.

Für die beiden im Bundestag existierenden Gruppen der Linkspartei und BSW wird je ein:e Vertreter:in als beratendes Mitglied in den Ältestenrat entsendet. Stimmrecht steht ihnen nur bei inneren Angelegenheiten des Bundestags, wie beispielsweise Abstimmungen über Mitarbeitende und Räume, zu. Beide Gruppen weiterhin das Recht Entschließungsanträge und Gesetze ins Parlament einzubringen. Größter Streitpunkt ist die Begrenzung auf bis zu zehn Kleine und Große Anfragen pro Monat, wodurch laut Dietmar Bartsch (DIE LINKE) die Oppositionsarbeit der Gruppen massiv eingeschränkt werde. Für Fraktionen gibt es keine Begrenzung der Kleinen und Großen Anfragen.

Welche Rechte haben fraktionslose Abgeordnete?

Neben den Fraktions- und Gruppenmitgliedern sitzen im Bundestag auch einzelne Abgeordnete. Diese können entweder direkt gewählte Abgeordnete sein, deren Partei an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist oder Abgeordnete, die aus ihrer Partei und Fraktion austreten. Derzeit sitzen sechs fraktionslose Abgeordnete im Bundestag, beispielsweise Joana Cotar, die am 21. November 2022 aus der AfD-Fraktion ausgetreten ist. Einen Sonderfall stellt Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) dar. Obwohl der SSW nur 0,12 Prozent der Zweitstimmen erzielte, konnte Seidler 2021 als Abgeordneter in den Bundestag einziehen, da der SSW als Teil der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen ist. 

Eine Aufnahme einzelner Abgeordneter durch andere Fraktionen ist möglich. So ist der Abgeordnete Thomas Lutze bereits am 10. Oktober aus der Linksfraktion ausgetreten und hat sich der SPD-Fraktion angeschlossen. Fraktionslose Abgeordnete besitzen Rede- und Stimmrecht im Bundestag und können zudem Geschäftsordnungsanträge stellen und Fragen an die Bundesregierung stellen. Ihre Redezeit ist gegenüber Fraktions- und Gruppenmitgliedern reduziert. In den Ausschüssen fungieren sie als beratende Ausschussmitglieder, besitzen jedoch kein Stimmrecht.

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