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Frank-Walter Steinmeier
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Frage von Raimund A. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Raimund A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Dr. Steinmeier,

der schreckliche Genozid von Ruanda jährt sich dieses Jahr zum zwanzigsten Mal.
amnesty kommt in diesem Bericht zu dem Ergebnis, dass die Welt nichts dazu gelernt hat:

http://www.amnesty.de/2014/4/7/nie-wieder-die-welt-lernt-nicht-aus-dem-genozid-ruanda

Wie würde Ihre Partei abstimmen, wenn sich solch ein Genozid wiederholen würde? Würden Sie und Ihre Partei dann gegen einen Einsatz stimmen?

Ich finde den Einsatz in Afghanistan und anderswo geradezu grauenvoll.
Aber darf und kann man als sozial denkender Mensch Totalpazifismus praktizieren, auch wenn dadurch so viele Menschen umkommen?

Warum verzichtet Deutschland- angesichts unserer Geschichte- nicht endlich auf Rüstungsexporte?
Kann man bei Rüstungs-und Waffenexporte verhindern, dass sie in die Hände der von Menschen kommen, die diese nicht bekommen sollten?

Mit freundlichen Grüßen

Raimund Arendt

Portrait von Frank-Walter Steinmeier
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Arendt,

vielen Dank für Ihre Anfrage an Herrn Steinmeier, auf die ich Ihnen gern antworten möchte.

Gerade fand im Deutschen Bundestag das Gedenken an den vor 20 Jahren stattgefundenen Völkermord in Ruanda statt. Herr Steinmeier hat in sich in seiner diesbezüglichen Rede klar zur Verantwortung der internationalen Gemeinschaft und damit auch Deutschlands zum Völkermord in Ruanda bekannt. Gern möchte ich Ihnen die betreffenden Auszüge aus seiner Rede übermitteln:

"Die eine Lehre, die an einem Gedenktag wie heute am lautesten ertönt, heißt: Niemals wieder!
Ja, niemals wieder. Doch viel schwieriger ist die Frage, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden.

Denn seien wir ehrlich: Schon einmal hat die internationale Völkergemeinschaft schon einmal laut "Nie wieder!" gerufen. Das war 1948, nach dem Holocaust, als die Vereinten Nationen die Völkermord-Konvention beschlossen. Doch das Versprechen haben wir nicht halten können. Die internationale Gemeinschaft hat versagt, als sie in Ruanda inmitten der Gewalt ihre Blauhelmsoldaten abzog.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass heute, in der Gegenwart, die Dämonen des Völkermords keineswegs gebannt sind.

Auch wenn die Internationale Gemeinschaft unter der Überschrift "Responsibility to Protect" auf Ruanda reagiert hat, auch wenn sie Prävention und Einsatzfähigkeit und internationale Strafgerichtsbarkeit verbessert hat. Wir sprechen nicht überall von Völkermord, aber wir stehen im Kongo, in Zentralafrika oder in Syrien vor endlosem Blutvergießen.

Jonathan Nturo und allen anderen Opfern von Menschheitsverbrechen können wir den Verlust ihrer Kinder, Väter, Mütter und Freunde nie wieder gut machen. Aber wir schulden ihnen etwas, auch wenn wir ehrlich wissen, dass wir nicht jedes Unrecht und Blutvergießen stoppen können: Wir schulden ihnen, dass wir uns nicht dem Gefühl der Ohnmacht und schon gar nicht der Gleichgültigkeit hingeben– dass wir nicht nur anprangern, sondern das tun, was in unser Macht steht, um Völkermord zu verhindern!

Ruanda ist dabei, Vergangenheit aufzuarbeiten, ein neues Ruanda zu schaffen. Überall in Afrika entsteht ganz viel Neues in diesen Jahren. Afrika verändert sich schneller als unsere Wahrnehmung von Afrika. Natürlich wollen auch wir Europäer, dass Afrika sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Afrika ist ein Kontinent im Aufbruch, und wir müssen diesen Aufbruch massiv unterstützen.

Mehr und mehr müssen wir Europäer die Staaten in Afrika als Partner verstehen. Wir brauchen Partner für die globalen Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen und von denen wir ganz genau wissen, dass wir sie auch nur gemeinsam lösen können.

Ich finde: So vielfältig die Entwicklung Afrikas, so vielfältig muss der Instrumentenkasten unserer Politik sein. Je nach Land und je nach Lage gehören in diesen Instrumentenkasten wirtschaftliche Investitionen genau wie Abrüstung und die Eindämmung von Kleinwaffen; kultureller Austausch genau wie Straßenbau; die Stärkung des Rechtsstaats genau wie das Training von Sicherheitskräften.

Außenpolitik ist ein Balanceakt zwischen der Suche nach Gemeinsamkeiten und dem Respekt vor unseren Unterschieden – auch der Feststellung dessen, was unvereinbar ist."

Über die Möglichkeiten und Grenzen von Außenpolitik und die deutsche Rolle darin hat sich Herr Steinmeier sehr klar anlässlich der 50. Münchner Sicherheitskonferenz geäußert. Seine diesebezüglichen sieben Thesen übersende ich Ihnen nachfolgend:

"1. Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und
substanzieller einzubringen.

2. Die Übernahme außenpolitischer Verantwortung muss immer konkret sein. Sie darf sich nicht in Empörungsrhetorik oder der bloßen Benotung von Bemühungen und Aktivitäten anderer erschöpfen. Ein konkretes Beispiel ist die veränderte Position der Bundesregierung beim Angebot, Reststoffe syrischer Chemiewaffen in deutschen Anlagen zu vernichten, die zu den modernsten der Welt gehören.

3. Deutschland will und wird Impulsgeber sein für eine gemeinsame europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nur wenn wir unser Gewicht gemeinsam in die Waagschale werfen, im Süden wie im Osten, wird Europas Außenpolitik mehr sein als die Summe vieler kleiner Teile. In diesem Geist prüfen wir aktuell, wie wir die Stabilisierung fragiler Staaten in Afrika, namentlich in Mali, auch militärisch konkret unterstützen können.

4. Der Einsatz von Militär ist ein äußerstes Mittel. Bei seinem Einsatz bleibt Zurückhaltung geboten. Allerdings darf eine Kultur der Zurückhaltung für Deutschland nicht zu einer Kultur des Heraushaltens werden. Deutschland ist zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren. Entscheidend ist aber vor allem anderen, dass wir gemeinsam mit anderen intensiver und kreativer darüber nachdenken, wie wir den Instrumentenkasten der Diplomatie ausstatten und für kluge Initiativen nutzbar machen.

5. Hier in München sollten wir unser gemeinsames Gewicht nutzen, um einer friedlichen Lösung der Krise in der Ukraine näher zu kommen. Es darf keine gewaltsame Lösung geben. Wenn am Pulverfass die Lunte glimmt, ist es hochgefährlich, auf Zeit zu spielen. Präsident Janukowitsch muss die der Opposition gemachten Zusagen in vollem Umfang erfüllen. Dann gibt es in den nächsten Tagen eine realistische Chance für einen Ausweg aus der politischen Konfrontation.

6. Bei allen Differenzen müssen wir gemeinsam mit Russland nach Ansatzpunkten suchen, um unser Verhältnis konstruktiver und kooperativer zu gestalten. Nur mit Russland gelingt ein Übereinkommen mit dem Iran. Nur mit Russland gelingt die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen. Wir machten einen Fehler, würden wir die Zukunft Europas ohne oder gar gegen Moskau denken. Aber ich sage ebenso entschieden und deutlich: es ist auch Moskaus Aufgabe, gemeinsame Interessen zu definieren.

7. Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika haben in den vergangenen Jahrzehnten aufs Engste zusammengestanden. Für uns bleibt das nordatlantische Bündnis unverzichtbare Rückversicherung in einer unruhigen Welt. Keine Frage: Europa und Amerika sind füreinander die engsten wirtschaftlichen und politischen Partner. Aber auch unsere Partnerschaft lebt nicht von Kontinuität allein."

Zum Thema der Rüstungsexporte wurde im Koaltionsvertrag folgende Regelung getroffen: Bei Rüstungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten sind die im Jahr 2000 beschlossenen strengen „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ für unser Regierungshandeln verbindlich. Zudem wurde sich darauf verständigt, dass Stabilität nicht zuletzt durch neue Initiativen der Abrüstung und durch eine zurückhaltende Rüstungsexportpolitik
gefördert werden soll.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sorgen hier gemeinsam für mehr Transparenz. Derzeit wird die Öffentlichkeit mit ein bis zwei Jahren Verspätung über Rüstungsgeschäfte informiert. Künftig sollen Exportgenehmigungen aber innerhalb von zwei Wochen an den Bundestag gemeldet werden. Darauf hatte sich die Koalition in den vergangenen Wochen verständigt. Das wird im Ergebnis zu einer restriktiveren Exportpolitik als in der Vergangenheit führen. Damit setzt die SPD-Bundestagsfraktion einen weiteren Punkt aus dem Koalitionsvertrag um.

Herzliche Grüße

Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros

Dr. Frank-Walter Steinmeier