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Anja Hajduk
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Frage von Manfred R. •

Frage an Anja Hajduk von Manfred R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Hajduk,

vielen Dank für Ihre Antworten, die allerdings noch viel im Unbestimmten lassen und viele neue Fragen aufwerfen. Aus Zeitgründen, gehe ich nur auf das Wesentlichste ein.

zu 1: Eine große Einheitsversicherung für alle – sofern sie rechtlich und tatsächlich nach einer dann voraussichtlich sehr langen Übergangszeit überhaupt machbar ist, was ich sehr bezweifle – würde zwar die leeren Töpfe der Sozialversicherung vorübergehend wieder etwas auffüllen. Aber was wäre damit langfristig gewonnen? Die Ausplünderung für versicherungsfremde Leistungen, die Austeilung von Wahlgeschenken auf Kosten der Beitragszahler, und die Selbstbedienung der Leistungsanbieter könnten – und würden! - fröhlich fortgesetzt werden, und die zusätzlichen Beiträge würden natürlich auch von zusätzlichen Leistungsansprüchen begleitet. Andererseits fehlten die Gelder, die Sie in den großen politisch verwalteten und damit stets mißbrauchgefährdeten Topf leiten würden, den Privaten Versicherungen. Soweit die Einbeziehung in die Einheitsversicherung bei den Betroffenen auch noch Mehraufwendungen zur Folge hat, weil Privatversicherungen wirtschaftlicher Arbeiten und deshalb in den meisten Fällen kostengünstiger sind, fehlen diese Mittel zusätzlich für den privaten Konsum und die private Altersvorsorge. Glauben Sie, das dies volkswirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch sinnvoll wäre und ohne negative Folgen für die volkswirtschaftliche Gesamtleistung bliebe?

Ergänzungsfragen:
1.1 Welche genauen Berechnungen haben Sie über die verschiedenen Auswirkungen dieser Idee Ihrer Partei angestellt und zu welchen Ergebnissen sind Sie dabei gekommen?
1.2 Können Sie sich Maßnahmen vorstellen, um endlich eine größere Effizienz im Gesundheits-(un)wesen zu erreichen?
1.3 Wie könnte Ihrer Meinung nach erreicht werden, daß die Gelder der Sozialversicherung nicht weiter Gegenstand politischer Tricksereien und Beuteobjekt diverser Leistungsträger sind, sondern von Fachleuten nach kaufmännischen Gesichtspunkten und politikunabhängig verwaltet werden, wie dies in der Privatversicherung seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird?
1.4 Welche Wege wollen Sie gehen, um endlich die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung wirklich zu senken statt nur Leistungen zu streichen oder zu privatisieren und damit die Beiträge durch die Hintertür immer weiter zu erhöhen?

Zu 2: Die weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit ist programmiert. Die unprofessionelle Handhabung dieses Problems durch die Politiker seit gut 30 Jahren, hat die Lage allerdings jetzt so prekär gemacht, daß politische Verwerfungen bevorstehen, deren mögliche Auswirkungen nur der abschätzen kann, der die Geschichte kennt. Eine – wie Sie sagen – armutsfeste Grundsicherung für alle Deutschen ist auch m.E. dringend erforderlich um die politische Stabilität der Gesellschaft nicht weiter zu gefährden.

Die hohen deutschen Lebenshaltungskosten (zu dessen Ursachen auch der teure staatliche Politik- und Verwaltungsapparat gehört, mit all den schönen Privilegien für Abgeordnete) können im globalen Wettbewerb nur mit entsprechend hoher Produktivität verdient werden. Das aber erfordert den Einsatz hochtechnologischer Hilfsmittel und steigert durch den damit verbundenen Ersatz menschlicher Arbeitskraft die Arbeitslosigkeit tendenziell noch weiter. Selbst wenn die Masseneinkommen stabil blieben oder sogar leicht anstiegen, wären wir noch weit von der Aussicht auf Vollbeschäftigung entfernt und ich neige inzwischen zu der Ansicht, daß wir sie überhaupt nie mehr erreichen werden. Daß die sogenannten Reformen durch die damit verbundene Senkung der verfügbaren Einkommen den Konsum drosseln und damit zu einer beschleunigten Zunahme der Arbeitslosigkeit führen, verdeckt den Blick auf diese tiefer liegenden Ursachen.

Worüber man sich eigentlich freuen sollte, daß nämlich die Menschen weniger arbeiten müssen, um – gerechte Verteilung der gemeinsam erarbeiteten Wertschöpfung vorausgesetzt – ordentlich und sorgenfrei leben zu können, kommt als Horrorszenario ins Bewußtsein. Ich rate trotzdem allen Politikern, die sich nicht schon in den nächsten 10 Jahren zur ruhe setzen möchten, sich ernsthaft über eine Gesellschaft Gedanken zu machen, in der Arbeitslosigkeit nicht nur faktisch normal ist – wie gegenwärtig – sondern als übliche, kürzere oder längere Phasen des erwerbsfähigen Daseins betrachtet wird, also nicht als Problem oder Makel, sondern als normale Alternative zur Erwerbstätigkeit. Auch die Arbeitslosen tragen in dieser hochproduktiven Gesellschaft der Zukunft zum gemeinsamen Wohlstand bei, indem sie zugunsten anderer (zeitweise) auf einen Arbeitsplatz verzichten (müssen). Deshalb haben sie auch das gleiche Recht wie diejenigen, die arbeiten (dürfen), angemessen am gemeinsam erarbeiteten Wohlstand teilzunehmen. Sozialhilfe brauchte es für deutsche Staatsangehörige dann gar nicht mehr zu geben, weil jeder – z.B. in Form einer negativen Einkommensteuer – seine Mittel für einen angemessenen Lebensunterhalt als Anteil an der gemeinsam erarbeiteten Wertschöpfung erhält. Was denken Sie in dieser Hinsicht?

Ergänzungsfragen:
2.1 Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie verhindernn, daß durch die Ausweitung des Billigkohnbereichs ein riesiges Heer von Proletariern entsteht, die – wie in den USA – nicht einmal dann einigermaßen gesichert von der Hand in den Mund leben können, wenn sie nicht mindestens drei Jobs haben?
2.2 Wie wollen Sie die mit der Verarmung großer Bevölkerungsteile verbundene Ausbeutung durch eine bessergestellte Minderheit verhindern?
2.3 Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie die Altersarmut verhindern, die für Millionen künftige Rentner heute schon sicher absehbar ist?
2.4 Wie rechtfertigen Sie die soziale Amerikanisierung unserer Gesellschaft ethisch, wenn Sie sie nicht verhindern wollen (was man aus der bisher von Ihrer Partei unterstützten Politik der Rot-Grün-Koalition schließen kann)?

Zur Frage der Entlastung der Familien gebe ich noch zu bedenken, daß es zwar richtig ist, daß Kinder, die unser aller Zukunft sind, viel Geld kosten und deshalb auch eine Verpflichtung der Allgemeinheit besteht, sich an den Kosten zu beteiligen. Richtig ist aber auch, daß allzuviele Kinder heute nur noch von ihren Eltern finanziert, aber nicht mehr erzogen werden. Deshalb plädiere ich dafür, einen Teil der Mittel, die zur Förderung der Familien, besser: der Kinderaufzucht ausgegeben werden sollen, dazu verwendet wird, die Kinderbetreuung außerhalb des Elternhauses zu verbessern. Das ermöglicht nicht nur den Eltern, Kindererziehung und Beruf besser miteinander zu vereinbaren, sondern gibt auch die Möglichkeit, die Erziehung der Kinder im Hinblick auf soziale Fähigkeiten zu vervollständigen. Erziehung muß auch unmäßigem materiellen Anspruchsdenken entgegenwirken und zur Ausbildung eines guten ethischen und Rechtsbewußtseins beitragen. Was halten Sie davon?

Zu 3: In diesem Punkt blicken wir anscheinend ziemlich genau in die gleiche Richtung. Was Sie bzw. Ihre Partei dazu in der Regierungsverantwortung auf diesem Felde aber bisher tatsächlich geleistet hat, ist mehr als schwach. Das wird nicht im entferntesten genügen, um Deutschland wieder auf die Beine zu bringen.

Jahrzehntelange laxe Haushaltsdisziplin dürfte aber kaum durch Einsparungen auszugleichen sein. Solange die Politiker ungestraft das Geld zum Fenster hinauswerfen dürfen, wird das Schuldenmachen weitergehen. Die faktische Abschaffung der Maastricht-Kriterien zeigt, worauf wir uns einstellen müssen. Eine Neukonzipierung des Steuersystems zum Zwecke der Vereinfachung und um es verständlicher und gerechter zu gestalten, ohne weitere Steuergeschenke an die, die sowieso schon viel mehr haben, als sie brauchen, wäre auch eine Gelegenheit, die Haushalte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens solcher gesetzlicher Beschränkungen wieder ins Lot zu bringen.

Für den Bürger und seine möglichen Konsumausgaben ist einzig und allein das entscheidend, was er nach Abzug aller notwendigen Kosten für den bloßen Lebensunterhalt und aller staatlich verordneten Kosten noch an frei verfügbarem Geld übrig hat.

Um Kosten und Nutzen von Reformen der Steuer- und Sozialsysteme dem Bürger transparent zu machen, schlage ich Beispiel-Rechnungen vor, die sämtliche Steuern und Sozialabgaben (bzw. auf den Bürger abgewälzte freiwillige oder gesetzliche Versicherungs- und Vorsorgepflichten) sowie Sozialtransfers erfassen, sodaß für eine festgelegte Reihe von angenommenen Einkünften (500, 1000, 1500, 2000, 3000 usw. Euro monatlich bis hinauf zu Einkommen im 6- und 7-stelligen Bereich die verbleibenden Nettoeinkommen ermittelt und in ein prozentuales Verhältnis zu den Einkünften gesetzt werden können. Es müßten zudem die Verhältnisse bei privat abhängig Beschäftigten, öffentlich Bediensteten (Beamte getrennt), Freiberuflern, Landwirten, Gewerbetreibenden und Politikern (unterschieden nach den vorstehenden Gruppen) dargestellt werden. Mit diesen Tabellen, die veröffentlicht (z.B. auch ins Internet gestellt werden) müßten, wäre es endlich jedem Bürger möglich die Auswirkungen der verschiedenen Steuer- und Sozialkonzepte der Parteien auf ihn persönlich zu beurteilen. Wäre das nicht endlich einmal ein Beitrag zur Transparenz des politischen Macht- und Ränkespiels?

Sinken wie seit Jahren die verfügbaren Realeinkommen, kann der volkswirtschaftliche Ausgleich nur über eine Senkung der Lebenshaltungskosten erfolgen. Das geschieht im wesentlichen von selbst durch das Absinken der Nachfrage, das bei den Produzenten zu Absatzeinbußen und Preisdruck führt und die in Deutschland längst ingang gekommene Abwärtsspirale von Einkommensenkung-Preisdruck-Arbeitslosigkeit-Einkommensenkung usw. immer schneller weiterdreht. Eine fatale Entwicklung, die die Politiker entweder noch gar nicht begriffen haben, oder die ihnen als nicht unmittelbar Betroffene gleichgültig ist.

Gemildert und im Idealfall sogar aufgehalten werden könnte die Abwärtsspirale dadurch, daß z.B.

- die hohen Einkommen (gerechterweise) stärker zur Finanzierung der unverzichtbaren Gesundheits- und Altersvorsorge und -sicherung herangezogen werden, um die geringen und mittleren dadurch von ihrer relativen Überlast zu befreien, vielleicht durch eine Integration der Sozialversicherungsbeiträge in die von einer Unternehmenseinkommensteuer getrennte private Einkommensteuer,
- die Versorgungsmonopole daran gehindert werden, durch überhöhte Preise die Verbraucher auszubeuten und Industriebetriebe in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen,
- mögliche Einsparungen und Effizienzgewinne beim Bürokratieabbau vorzugsweise zur Anhebung der verfügbaren Einkommen im unteren Bereich verwendet werden, z.B. durch Erhöhung des Grundfreibetrages und/oder Senkung des Eingangssteuersatzes,
- die Möglichkeit der Privatenteignung von Kleinaktionären durch Großaktionäre (Squeeze out) beseitigt wird, um so die Vernichtung von Kapitel, das der Altersversorgung dienen soll, zu verhindern,
- endlich Wettbewerb im Gesundheits(un)wesen durchgesetzt wird,
- alle Einkommensgruppen gerecht an den Kosten der sozialen Versorgung beteiligt werden, unabhängig davon, ob man die nun privatisieren oder in der Verfügungsmacht der Politiker belassen möchte; jedem Bürger steht eine angemessene Versorgung deutlich oberhalb der Sozialhilfeschwelle zu,
- die Vermögen einschließlich Pensionsansprüchen Krimineller vollständig abgeschöpft und dem Staatshaushalt zugeführt werden,

um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Was halten Sie von diesen ausschließlich aus der Sicht des Allgemeinwohls vorgeschlagenen Rettungsmaßnahmen vor einem Durchdrehen der volkswirtschaftlichen Abwärtsspirale?

Ergänzungsfragen:
3.1 Was halten Sie davon, Haushalts- und vor allem Ausgabendisziplin der Politiker gesetzlich zu erzwingen, wobei die gegen das Gesetz verstoßenden Politiker persönlich und mit ihrem Vermögen haften sollten?
3.2 Was wollen Sie konkret gegen die Steuerflucht unternehmen? Warum können sich die Bezieher hoher bis extrem hoher Einkommen problemlos in südliche Nachbarländer absetzen, um der deutschen Besteuerung zu entgehen? Reisende soll man nicht aufhalten, heißt es. Aber ich meine, wer einen deutschen Paß hat, soll gefälligst auch in Deutschland seine Steuern zahlen. Wer das nicht möchte, kann seinen Paß ja gern abgeben. Wir sind ein freies Land. Wie sehen Sie das?
3,4 Können Sie sich vorstellen, die hohen privaten Einkommen (nicht die Unternehmenseinkommen!) sogar erheblich höher zu besteuern und die notwendigen Beiträge zur Sozialversicherung darin zu integrieren?
3.5 Wie wollen sie verhindern, daß im Einkommensteuergesetz nur solche Ausnahmetatbestände gestrichen werden, die nicht von einer starken Lobby verteidigt werden?
3.6. Was halten Sie davon, daß die Politiker auf der einen Seite fordern, die Bürger mögen ihre Altersversorgung doch selber sicherstellen, auf der anderen Seite ein ohne eigenes Verschulden in die Hartz-IV-Falle geratener Bürger, der diesem Rat gefolgt ist, bis auf einen kümmerlichen Rest ausgeplündert wird?

4 entfällt

Zu 5: Ja, der Bürger kann wissen, wer mit wem verbandelt ist - wenn er sich die Mühe macht. Aber glauben Sie tatsächlich, daß dadurch der unheilvolle Einfluß privater Interessen auf die Abgeordnetentätigkeit verhindert oder wenigstens stark abgeschwächt wird? Es ist doch kein Geheimnis, daß die Lobbys von Großindustrie und Verbänden aller Art massiven Druck auf die Abgeordneten ausüben, um sich Vorteile, auch auf Kosten der Allgemeinheit, zu sichern. Von der Abhängigkeit des Otto-Normalverbraucher-Abgeordneten von den Rudelführern seiner Partei wollen wir hier gar nicht sprechen, da der Abgeordnete doch nur seinem Gewissen unterworfen sein soll.

Mir hat bisher noch niemand nachgewiesen, daß ein Abgeordneter zugleich mehrere Aufsichtsratsmandate und eine führende Funktion in einem Interessenverband ordnungsgemäß wahrnehmen, seine Position in seiner Partei verteidigen und ausbauen, vielleicht sogar noch einen Beruf nebenbei ausüben und dann auch noch seine Pflichten als Abgeordneter so erfüllen kann, wie es die Bürger erwarten dürfen, die ihn gewählt haben. Undurchdachte, weil Neben und Folgewirkungen außer acht lassende Gesetze sind unter diesen Umständen nicht überraschend.

Ergänzungsfragen:
5.1 Ist Ihnen eine Untersuchung darüber bekannt, wieviel Zeit die Abgeordneten tatsächlich für die Aufgaben verwenden, für die sie gewählt werden?
5.2 Was könnte getan werden, um die Abgeordnete wirklich unabhängiger machen?
5.2 Wie könnte man erreichen, daß Abgeordnete sich mehr auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren, statt durch Nebentätigkeiten (und verdeckte Lobbyarbeit) dem eigenen Wohle zu dienen?

Zu 6: Das sehe ich genauso wie Sie. Aber Subventionen haben ja immer Nutznießer. Und wenn die stark genug sind, dann kassieren sie ihre leistungsfreien Einnahmen eben auf Kosten der Allgemeinheit weiter und die Politiker decken das mit schönen Argumenten gegenüber den Bürgern und haben ihre Ruhe.

Ergänzungsfragen:
6.1 Wie stellen Sie sich konkret den Abbau von Subventionen vor? Welches Verfahren schlagen Sie vor?
6.2 Wie wollen Sie eine „...überlegte und durchdachte Streichung von rückwärtsgerichteten Subventionen...“ gegen den Widerstand der Profiteure und möglicherweise gegen die Interessen der Klientel Ihres Koalitionspartners durchsetzen?
6.3 Auch die Überversorgung der Politiker ist eine Subvention und im Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit mit beginnender Massenverarmung ein Schlag ins Gesicht von Millionen. Wie wäre es, als gutes Beispiel diese Subvention als erste zu beseitigen und die Abgeordneten gemäß den für alle Bürger geltenden Bestimmungen in die Gesetzliche Rentenversicherung einzugliedern?
6.4 Wenn Sie das befürworten, was wollen Sie konkret dazu unternehmen?

Zu 7. Gegen das, was Sie zu diesem Punkt sagen, habe ich nichts einzuwenden. Allerdings wird dadurch noch nicht das Problem von Korruption und Mißwirtschaft gelöst.

Richtige Antworten auf die rechtlichen Fragen der Bekämpfung von Asozialität und Kriminalität zu geben, erfordert immer, eine Gratwanderung zwischen dem Schutz personaler Rechte und der Wahrung allgemeiner Interessen und letztlich das Finden eines akzeptablen Kompromisses. Leider ist es heute schon so, daß viele Schutzgesetze den zu Schützenden nichts nützen, weil die Verfahrensregeln die Rechtsbrecher so effektiv abschirmen, daß einer schon pleite ist, bevor er seine berechtigten Forderungen realisieren kann, oder schon gestorben, bevor er seine Entschädigung für schwere Körperverletzung durchgeklagt hat. Auch der legale Betrug durch Täuschung und Verwirrung unbedarfter Konsumenten breitet sich immer weiter aus. Wenn wir aber immer mehr schwarze Schafe bekommen, weil viele Menschen ja doch so intelligent sind, zu erkennen, wie einfach es ist, die eigenen Interessen auf Kosten und zu Lasten anderer durchzusetzen und sich zu Lasten und auf Kosten seiner Mitmenschen zu bereichern, werden wir einen Domino-Effekt bekommen mit katastrophalen Folgen für das Rechtsbewußtsein und die Rechtsmoral der Bürger. Wie sich das auswirkt, kann jeder im ruhenden und fließenden Straßenverkehr bereits täglich beobachten, wo die Vorschriften nur nach dem Zufallsprinzip mit einer Erwischenwahrscheinlichkeit im Promillebereich durchgesetzt werden, und ich könnte Ihnen noch Beispiele aus anderen Rechtsgebieten nennen.

Wer den Verfall der Rechtsmoral aufhalten möchte, braucht dazu entsprechend erzogene Menschen, für die Rechtschaffenheit und Anständigkeit noch Werte darstellen, und in den Führungspositionen von Staat und Wirtschaft braucht er Vorbilder. Aber Erziehung ist ein langfristiger Prozeß und wenn solche Menschen knapp werden, wie das derzeit bei uns der Fall zu sein scheint, müssen Rettungsmaßnahmen ergriffen werden. Wie wäre es damit, das Risiko für die Kriminellen auf dem Gebiet der Korruption, der Steuergeldverschwendung und des Machtmißbrauchs drastisch zu erhöhen. Bei anzunehmender hoher Dunkelziffer (in die künftig wohl (nur?) durch engagierte Journalisten tatsächlich sehr viel mehr Licht gebracht werden wird) und geringer Aufklärungsquote müßte zur Steigerung des Risikos das Strafmaß kräftig erhöht werden. Langjährige Gefängnisstrafen, die nicht zur Bewährung ausgesetzt und nicht verkürzt werden dürfen, oder noch besser: Einzug des gesamten Vermögens und Aberkennung sämtlicher Pensionsansprüche zugunsten der Staatskasse. Glauben Sie nicht auch, daß die Gefahr, für 10-15 Jahre hinter Gittern zu landen und alles zu verlieren, was ihnen lieb ist, nämlich ihre materielle Beute, die meisten Rechtsbrecher von ihren Untaten abhalten würde? Die gegenwärtige Rechtssituation und –praxis ist geradezu ein Anreiz für solche Straftaten.

Ergänzungsfragen:
7.1 Was wollen Sie konkret gegen den zu beobachtenden Verfall der Rechtsmoral unternehmen und wie könnten Ihrer Meinung nach die Politiker dabei mit gutem Beispiel vorangehen?
7.2 Was wollen Sie unternehmen, um den Rechtsweg so effizient gestalten, daß nicht nur die Täter vor unrechtmäßiger Verfolgung, sondern endlich auch die Opfer wirksam vor unzumutbaren Beeinträchtigungen geschützt und von den Opfern entschädigt werden, damit es nicht mehr so oft heißt: Recht bekommen, aber trotzdem der Dumme gewesen?

Neue Frage 8: Was wollen Sie unternehmen, um den (wenigen daran überhaupt interessierten) Bürgern die Teilnahme am demokratischen Entscheidungs- und – vor allem – Kontrollverfahren leichter zu machen, z.B. die Wahrnehmung seiner Rechte aus Ihrem Informationsfreiheitsgesetz?

Ich bin sicher, daß mit den etablierten Kräften mit oder ohne Neuwahl ein großer Wurf ist nicht zu erwarten ist. Man wird sich nur weiter durchwursteln und dabei den Karren Deutschland immer weiter in den Dreck fahren. Je mehr Bürger von den Politikern dabei ins Abseits gedrängt werden, je mehr soziale Verlierer sie mit ihren „Reformen“ produzieren, desto stärker wird aber der Unmut in der Bevölkerung wachsen und vermehrt Gegenreaktionen mit unkalkulierbaren Folgen provozieren. Die Auflösungserscheinungen in der SPD, die kaum verhüllten Machtkämpfe in der CDU/CSU, und die ersten unbeholfenen Ansätze zu neuen Volksparteien halte ich nur für ein Vorspiel bevorstehender größerer politischer Veränderungen. Wir dürfen gespannt sein, in was für einem Staat wir in 10-15 Jahren leben werden.

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Rüdenauer

www.dervolksmund.de

Portrait von Anja Hajduk
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rüdenauer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die Sie mir als Antwort und Ergänzung zu meiner ersten Mail an Sie geschickt haben. In Ihrer jetzigen Anfrage an mich formulieren Sie zu den schon von Ihnen gestellten und mir beantworteten Fragen eine Reihe von Ergänzungsfragen. Ich will mich keinesfalls um die Beantwortung drücken. Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass es mir nicht möglich ist, die weiteren über zwanzig Ergänzungsfragen von Ihnen zu beantworten. Ich sehe das Angebot von kandidatenwatch.de als hervorragendes Instrument für mehr Demokratie und Transparenz. Dazu gehört, dass vergleichbar mit einer Diskussionsrunde, auch unterschiedliche Personen zu Wort kommen und auf ihre Fragen eine adäquate Antwort erhalten. Mit Rücksicht auf die anderen Fragesteller bitte ich um Verständnis, dass ich Ihnen die Antwort zu Ihren weiteren, überaus umfangreichen, 7-seitigen Ergänzungsfragen schuldig bleibe.

Stattdessen biete ich Ihnen an, mich gerne auch auf einem Infostand oder einer Veranstaltung zu besuchen und direkt mit mir zu diskutieren. Nähere Infos zu diesen Gelegenheiten finden Sie auf www.zwei-fuer-berlin.de

Mit freundlichen Grüßen
Anja Hajduk