Claudia Sünder
SPD
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Frage von Margarete S. •

Frage an Claudia Sünder von Margarete S. bezüglich Umwelt

Beim Umwelt- und Naturschutz, bei der Lebensmittelproduktion, in der Landwirtschaft, auch beim Tierschutz ist offensichtlich alles in Butter.
Denn diese Themen kommen in den Wahlkampfsendungen überhaupt nicht vor. Einzig die Energiewende wird angesprochen - vermutlich nur wegen des Strompreises. Diesen Wahlkampf dominieren ausschließlich Themen, die sich um Geld, Vermögen, Steuern und Sozialleistungen drehen.
Bitte legen Sie mir dar, was die SPD tut für gesunde Lebensmittel, nachhaltige Landwirtschaft und einen wirksamen Umwelt- und Naturschutz
Damit der Begriff "Nachhaltigkeit" nicht nur als Farce verwendet wird und weil er derzeit gut ankommt.

Antwort von
SPD

Liebe Frau Schulz,
gern nehme ich Stellung zu den von Ihnen angesprochenen Punkten:

Gesunde Lebensmittel
Grundsätzlich halten wir die Verbraucherpolitik für einen wesentlichen Bestandteil einer gerechten und solidarischen Gesellschaftspolitik. Dementsprechend wollen wir - beispielsweise bei Lebensmitteln - klare Aussagen über Herkunft, Eigenschaften und Inhalt von Produkten sowie leicht verständliche und vergleichbare Informationen wie Ampelkennzeichnungen für Nährwerte.
Weiterhin will die SPD unter anderem für den Bereich Lebensmittel sogenannte Marktwächter einführen. Darunter zu verstehen sind staatlich beauftragte Verbraucherorganisationen, die als Sensoren bzw. Frühwarnsysteme für systematische Verbraucherprobleme tätig sind. Die Arbeit der Aufsichts- und Regulierungsbehörden wird durch ihre Hinweise vorbereitet und erleichtert. Die Marktwächter-Funktion sollen die Verbraucherzentralen und ihr Bundesverband wahrnehmen. Dazu müssen sie entsprechend ausgebaut und finanziert werden. Das Konzept der Marktwächter verzahnt zivilgesellschaftliche mit staatlicher Kontrolle und bestimmt das Verhältnis zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft neu. Die Marktwächter sollen die Märkte beobachten und Defizite sowie Fehlentwicklungen aufspüren. Gleichzeitig sollen sie durch vielfältige Angebote Verbraucherinnen und Verbraucher bei Entscheidungen beraten. Außerdem sollen die Marktwächter bewerten, ob Unternehmen Verbraucherrechte einhalten, z. B. indem sie die Rechtmäßigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Werbung prüfen. Hinweise auf Verbraucherprobleme und systematische Auffälligkeiten im Marktgeschehen werden von ihnen bearbeitet, indem sie diese erfassen und an die Aufsichts- und Regulierungsbehörden melden. Die Behörden müssen diese Unstimmigkeiten dann prüfen und gegebenenfalls bestätigen. Mit Abmahnungen und Unterlassungsklagen sollen die Marktwächter rechtswidrige Marktpraktiken bekämpfen. Um alle Marktteilnehmer von Verbrauchervertretern über Anbieter bis zur Wissenschaft zu beteiligen, werden entsprechend besetzte Fachbeiräte die Arbeit der Marktwächter begleiten. Des Weiteren sollen sie auch Lageberichte veröffentlichen, Handlungsempfehlungen für die Politik entwickeln und im Dialog mit der Wirtschaft Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Im Sinne des Verbraucherschutzes brauchen wir auch eine sinnvolle Kennzeichnungspflicht für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Ein entsprechender Vorstoß scheiterte im EU-Parlament am Veto konservativer Parlamentarier und der Lebensmittelindustrielobby. Der Wunsch von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Ärzteverbänden und Verbraucherschutzzentralen wurde damit einfach ignoriert.
Ganz klar sei aber auch formuliert: diese Maßnahmen sind notwendig, um die Verursacher von Lebensmittelskandalen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich weiß um die vielen einwandfrei arbeitenden, vorbildlichen Betriebe, die jedoch auch darunter leiden, wenn durch Fehlverhalten ganze Branchen in Misskredit geraten. Es geht also nicht um einen Generalverdacht und den Ausdruck von Misstrauen - sondern letztendlich um den Schutz der verantwortungsbewusst arbeitenden Unternehmen und natürlich den Schutz der Verbraucher_innen.

Nachhaltige Landwirtschaft
Die Ernährungs- und Landwirtschaft hat eine große wirtschaftliche, ökologische und soziale Bedeutung, gerade im Bereich des Klimaschutzes. Sie hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen. Wir wollen eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft, die zum Erhalt und zur Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume und unserer Kulturlandschaft beiträgt. Regionalvermarktungsstrategien und lokale Wertschöpfung werden dabei von uns gestärkt. Eine multifunktional ausgerichtete Landwirtschaft bildet die Grundlage für eine lebenswerte und leistungsfähige Kulturlandschaft. Die vielfältigen Leistungen, die Landwirte und andere Landnutzer für Natur- und Artenschutz erbringen, können auch künftig nur bedingt über die Rohstoffmärkte abgegolten werden. Daher müssen Landwirte und andere Landnutzer einen Anreiz erhalten, die gewünschten öffentlichen Güter bereitzustellen.
Das bestehende System der EU-Agrarförderung muss konsequent so umgebaut werden, dass es diesen Zielen ebenso konsistent dient wie alle Politikbereiche, die darauf Auswirkung haben: Agrar- und Ernährungsforschung, Bildung, Natur- und Tierschutzrecht oder die Verpflegung in öffentlichen Kantinen. Es ist richtig, die Förderung breiter auf den ländlichen Raum auszurichten und stärker an Leistungen für die Gesellschaft zu binden.
Wichtig sind neue Entwicklungsimpulse für unsere ländlichen Räume. Die Mittel müssen wirksamer werden, indem sie eine breitere Palette an wirtschaftlichen Impulsen für den ländlichen Raum fördern: regionale Veredelungswirtschaft, Handwerk, Tourismus, Gesundheitswesen und Dienstleistungen. Regionalvermarktungsstrategien werden dabei von uns gestärkt. Die Fördermittel müssen dazu beitragen, die immer noch zu hohen Umweltschäden durch Teile der Landwirtschaft, Gewässer- und Luftbelastungen, Artenschwund und Bodenbeeinträchtigungen zu mindern. Mittelfristig treten wir dafür ein, dass die so genannte „erste Säule” der pauschalen Agrarsubventionen bis auf einen kleinen Sockelbetrag abgeschmolzen und in die „zweite Säule” zur Stärkung und Wiederbelebung des ländlichen Raums umgeschichtet wird.

Milchpreis
Milchbauern erbringen durch ihre Produktion wichtige Leistungen für die Gesellschaft. Das muss in der Zukunft besser honoriert werden. Eine zukünftige Agrarpolitik darf nicht mehr auf Förderung von Mengen setzen, sondern muss den Erhalt von Natur- und Landschaft, die Produktion gesunder Lebensmittel und den Tierschutz in den Mittelpunkt stellen. Hier ist das Programm "Ländlicher Raum" ein ideales Instrument, diejenigen Landwirte zu fördern, die dazu beitragen, die Kulturlandschaften zu erhalten. In diesem Rahmen können auch Maßnahmen ergriffen werden, die die Milchproduktion berühren. Dazu gehören die Investitionsförderung und regionale Vermarktungsprogramme. Die meisten Entscheidungen in der Agrarpolitik werden auf europäischer Ebene getroffen, den Bundesländern bleibt ein vergleichsweise kleiner Spielraum, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie gerechter sind. Um im Bereich des Milchpreises zu einer Regulierung zu kommen, muss auch die Frage nach einem Produktionsverzicht gegen Entschädigung geklärt werden.

Gentechnik
Ich lehne - wie 80 Prozent der deutschen Bevölkerung - den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ab. Die SPD hat die „Ohne Gentechnik“-Regelung in der großen Koalition gegen heftigsten Widerstand von CDU/CSU durchgesetzt. Wir hatten sie damals zur Bedingung für eine Novelle des Gentechnikgesetzes gemacht. So können Verbraucherinnen und Verbraucher tierische Erzeugnisse aus GVO-Fütterung meiden, wenn sie Bioprodukte kaufen oder wenn sie sich für „Ohne Gentechnik“-Produkte entscheiden.
Wir brauchen aber eine Kennzeichnungspflicht für solche Produkte! Das ist die Basis für Transparenz und Wahlfreiheit, nur so können Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich entscheiden und solchen Produkten - und damit dem GVO-Anbau eine Absage erteilen. Die Kennzeichnungspflicht ist aber nur auf EU-Ebene zu regeln. Dazu wollen wir die Diskussion in Brüssel anstoßen und in den Mitgliedsländern Verbündete für eine Kennzeichnungspflicht gewinnen.
Weiterhin wollen wir eine regionale Selbstbestimmung ermöglichen, indem wir alle EU-rechtlichen, bundesrechtlichen und landesrechtlichen Möglichkeiten nutzen, um verbindliche gentechnikfreie Regionen rechtssicher zu regeln und hierzu auch notwendige Anpassungen im Bundesrecht vornehmen. Bisher steht dem aber auch das EU-Recht entgegen. Zwar räumt ein in der Diskussion befindlicher Entwurf der EU-Kommission mehr Spielraum für nationale Anbauverbote ein, aber es mangelt an der nötigen Rechtssicherheit. Das muss verstärkt in Brüssel thematisiert und eine Lösung gefunden werden.
Nach einem vom BUND in Auftrag gegebenen Gutachten der können aber auch die Bundesländer verstärkt Möglichkeiten zur Einschränkung bzw. Untersagung des GVO-Anbaus nutzen, z.B. über das Naturschutzgesetz oder über Schutzmaßnahmen für Imker und für die Erzeugung von Lebensmitteln „ohne Gentechnik“ - ein Kriterium, das in Baden-Württemberg spätestens ab 2015 zur Voraussetzung für das Qualitätszeichen QZ BW wird. Wir werden für die notwendige Unterstützung auf Bundesebene sorgen.
Ebenso strebt die SPD ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen an. Die Ziele sind die Zurückdrängung der Intensivtierhaltung, die wirksame Bekämpfung von Tierquälerei, die Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes und die Förderung artgerechter Tierhaltung.
Die in den o.g. Kontexten beschriebene Kennzeichnungspflicht ist sicher nicht die alleinige Lösung um der Herausforderung für mehr gesunde Lebensmittel, wirksamen Umwelt- und Naturschutz und nachhaltige Landwirtschaft zu begegnen - jedoch ein besonders wichtiger Baustein für mehr Transparenz, mehr Beteiligung und damit weitere wirksame Instrumente.
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

Herzliche Grüße
Claudia Sünder