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Frage von Karola V. •

Frage an Frank Jahnke von Karola V. bezüglich Tourismus

Sehr geehrter Herr Jahnke,

dass Berlin ein beliebtes Reiseziel ist und die Umsätze im Bereich der Tourismusbranche steigen ist erfreulich.

Weniger erfreulich sind jedoch die negativen Auswirkungen speziell der "Nachtökonomie" für die dort lebende Bevölkerung in sogenannten "Partymeilen" in Wohngebieten.

Zum einem ist die nächtliche Ruhestörung erheblich. Aber auch Begleiterscheinung wie gestiegene Kriminalität in Gebieten mit erhöhtem Gästeaufkommen, vermehrter Drogenhandel, Verwahrlosung und Vermüllung belasten die Wohngebiete.

Der "Runde Tisch Tourismus" setzt sich auf Landesebene zusammen aus Interessenverbänden der Tourismusbranche, der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung und vistitBerlin. Federführend ist die DEHOGA Berlin, Hotel- und Gaststättenverband e.V.

1. Frage:
Angeblich fühlen sich 85 % der Berliner durch Touristen weder eingeschränkt noch gestört.

Bei der Befragung wurde die Meinungen der Bevölkerung in den "Hotspots" wie z.B. im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Simon-Dach-Str., Boxhagener Platz, Sonntagstr., Ostkreuz, Graefekiez, Wrangelkiez nicht ermittelt.

Erachten Sie die Befragung von visitBerlin zur "Akzeptanzerhaltung im Tourismus", die während der Berliner Sommerferien im Zeitraum 16.7. bis 25.8. 2015 mit 3.009 Personen durchgeführt wurde, als repräsentativ für Berlin?

2. Frage:
Erachten Sie es angesichts der schwindenden Akzeptanz von Bürgern in den betroffenen Wohngebieten als nachhaltig, dass neben den Interessenverbänden der Wirtschaft auch die Berliner Bürger die Möglichkeit haben an dem Runden Tisch Tourismus gleichberechtigt ihre Interessen zu vertreten?

3. Frage:
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die betroffene Bevölkerung in die Entscheidungen zum Tourismus-Marketing der Stadt und die Entscheidung wie die Einnahmen durch die Übernachtungssteuer "city tax" verteilt werden, einzubinden?

Vielen Dank im voraus für Ihre Antworten,
mit freundlichen Grüßen,

Karola Vogel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Vogel,

danke für Ihre Frage.
Es freut mich, dass Sie die positiven Auswirkungen des Tourismus für unsere Stadt wie z.B. steigende Umsätze im Bereich der Tourismusbranche und die weltweite Beliebtheit Berlins als Reiseziel wahrnehmen und als erfreulich bezeichnen.

Seit nunmehr drei Legislaturperioden setze ich mich für die SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses und in vielen begleitenden Gesprächen für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins ein. Als die SPD-Fraktion im Jahr 2002 zum ersten Mal eine stärkere Entwicklung der Berliner Tourismuswirtschaft thematisierte, haben viele noch gelacht. Es hieß oft, Berlin hätte nichts zu bieten. Wir haben seither unter anderem ein Tourismuskonzept für Berlin-Brandenburg initiiert und visit Berlin als Berliner Marketing Institution mit großem Erfolg neu aufgestellt.

Da es von Anfang an auch Interessenskonflikte zwischen den verschiedenen touristischen Akteuren der Stadt gab, haben wir frühzeitig reagiert und beim Regierenden Bürgermeister den Runden Tisch Tourismus eingerichtet. Aufkommende Konflikte wurden und werden so auf unbürokratischem Weg schnell gelöst. Das hat in der Vergangenheit vielfach gut funktioniert und trägt zur Prosperität des Berliner Kultur-, Sport- und Wirtschaftsstandorts und zur Zufriedenheit der Berliner Bevölkerung bei.

Heute, fast 15 Jahre nach unseren ersten Initiativen zur Belebung der Berliner Tourismuswirtschaft, hat sich Berlin so stark entwickelt, dass die Dynamik der Branche meine anfangs bescheidenen Erwartungen weit übersteigt. Viele Berlinerinnen und Berliner profitieren von dieser Entwicklung. So entstanden seit dem Jahr 2005 in Berlin rund 300.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und die Zahl der Arbeitslosen ging um rund 39 Prozent zurück. Das ist ein großer Erfolg. Diese Entwicklung ist nicht nur, aber auch der Belebung der Berliner Tourismuswirtschaft geschuldet. Viele Berlinerinnen und Berliner haben einen neuen Arbeitsplätze in der Gastronomie oder anderen touristischen Dienstleistungsbereichen gefunden und auch der Einzelhandel und die Kultureinrichtungen profitieren von steigenden Besucherzahlen.

Das ist in der Tat sehr erfreulich.

Leider gibt es bei dieser Entwicklung auch Schattenseiten.
Ich gebe Ihnen recht, dass in den innerstädtischen Wohngebieten vielerorts für die dort lebende Bevölkerung unerfreuliche Begleiterscheinungen zu verzeichnen sind. Sie nennen in ihrer Mail "Partymeilen", sprechen von "Nachtökonomie", "Vermüllung" und "Verwahrlosung". Sie sagen, dass die nächtliche Ruhestörung an Treffpunkten für Partys erheblich sei. Auch ich stelle in meinen Bürgersprechstunden oder an Bürgerzuschriften fest, dass es heute häufiger als früher Beschwerden über nächtliche Ruhestörungen, insbesondere in beliebten Innenstadtlagen, gibt. Ich kann Ihren Unmut darüber verstehen. Wir haben dieses Problem erkannt und uns daher dafür eingesetzt, dass Maßnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz des Tourismus durchgeführt werden.

Beispielhaft möchte ich hier nennen,

- dass an der Admiralbrücke die Polizei ab 22.00 Uhr vermehrt darauf achtet, dass auf der Brücke keine großen Menschenansammlungen entstehen bzw. über Nacht bleiben. Auch an anderen Orten hat die steigende Zahl der nächtlichen Anrufe und Anzeigen von Ruhestörungen zu einem verstärkten Eingreifen der Polizei geführt. Ich danke in diesem Zusammenhang der Berliner Polizei für ihre beharrlichen Aktivitäten zur Wiederherstellung der Nachtruhe.

- dass die Berliner Stadtreinigung (BSR) durch den neuen Unternehmensvertrag mit dem Land Berlin die Bezirke bei der Müllbeseitigung in großen Park und Grünanlagen entlastet. In Friedrichshain-Kreuzberg wird die BSR ab dem Jahr 2016 z.B. die zusätzliche Müllbeseitigung im Görlitzer Park übernehmen. Die dadurch frei werdenden finanziellen Handlungsspielräume im Bezirk können und sollten dann an anderen Orten zur verstärkten Müllbeseitigung genutzt werden.

Die Bekämpfung von Begleiterscheinung wie die von Ihnen genannte gestiegene Kriminalität in Gebieten mit erhöhtem
Gästeaufkommen, vermehrter Drogenhandel, Verwahrlosung und Vermüllung ist Aufgabe der Polizei bzw. der Ordnungsämter der betroffenen Bezirke. Das berechtigte Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner, der Familien, Kinder und Älteren nach ungestörter Nachtruhe, Sauberkeit und Sicherheit und das Interesse für Events bzw. Partys, der meist jungen Leute ist in Einklang zu bringen. Das ist eine schwierige Aufgabe. Daher ist es umso wichtiger, dass die Bezirke mit ihren Ordnungsbehörden gemeinsam mit der Polizei alle rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausloten und anwenden. Und es ist auch wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger aktiv für ihre Belange für ihr Wohnumfeld einsetzen und sich an die Ordnungsbehörden wenden. Ich danke Ihnen daher ausdrücklich, dass Sie sich aktiv für mehr Sicherheit und Ordnung einsetzen. Ihre Hinweise werde ich bei meinen Gesprächen zu diesem Thema berücksichtigen.

Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
Mit welchen Methoden, zu welchem Zeitpunkt und ab welcher Zahl der Befragten eine Umfrage repräsentativ ist, kann ich nicht beurteilen. Ich gehe aber davon aus, dass die von Berlin Tourismus & Kongress GmbH / visit Berlin beauftragte Umfrage sorgfältig erstellt wurde.

Tatsächlich wird es so sein, dass sich Berlinerinnen und Berliner an besonders betroffenen Straßen oder Plätzen stärker gestört fühlen, als andere Berlinerinnen und Berliner. Aus meiner Sicht ist es allerdings schlichtweg nicht möglich, Lärm oder ärgerliche Hinterlassenschaften von Menschen ausschließlich touristischen Gästen zuzuordnen. Es gibt, soweit ich das beobachte, auch viele hier dauerhaft lebende Menschen, die sich nicht rücksichtsvoll gegenüber ihrer eigenen Nachbarschaft verhalten. Berlin wächst. Die Zahl der hier lebenden Menschen wächst. Daher glaube ich: Wir brauchen eine neue Ordnungskultur in den Berliner Kiezen. Eine Ordnungskultur an die wir uns alle gern halten. Eine Ordnungskultur, die wir aktiv einfordern. Eine Ordnungskultur des gegenseitigen Respekts und der gegenseitigen Rücksichtnahme. Ein neues Mit- und Füreinander. Dafür setze ich mich ein.

Für die von Ihnen aufgeworfene Fragen, ob und wenn ja, wie sich neben Interessenverbänden der Wirtschaft auch die Berliner Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit des Runden Tisch Tourismus bzw. in die Entscheidungen zum Tourismus-Marketing der Stadt einbinden lassen, bedanke ich mich. Die Fragen zeigen, dass Sie sich für ihr Wohnumfeld und ihre Stadt einsetzen wollen. Die Berliner SPD-Fraktion hat sich bereits in der Vergangenheit für mehr bürgerschaftliches Engagement, für eine stärkere Würdigung des Ehrenamtes und für eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen eingesetzt. Unter anderem wurde auf unsere Initiative hin, das Instrument der Volksentscheide erfolgreich in der Verfassung festgeschrieben. Daher nochmal: Danke für Ihre guten Hinweise. Gern nehme ich als Abgeordneter konkrete Hinweise und Wünsche aus der Bevölkerung entgegen und versuche mich dem entsprechend in Gesprächen, die ich z.B. mit visit Berlin führe, einzusetzen. Auch für die Ausweitung der Möglichkeiten für mehr Bürgerbeteiligung in Bezug auf die Veränderungen, die Berlin durch Tourismus erlebt, möchte ich mich einsetzen.

Die Einnahmen durch die Übernachtungssteuer "City Tax" werden mit dem Haushaltsbeschluss 2016/2017 nicht mehr zweckgebunden verteilt. Die "City Tax" ist eine Steuer, die wie alle Steuern in den Haushalt fließt. Dies führt zu höheren Einnahmen des Landes und zu einer Erweiterung des Handlungsspielraum bei der Verteilung aller Haushaltseinnahmen. Sie können hierzu auch gern die Antwort des Senats auf meine Schriftliche Anfrage "Verwendung der Mittel aus der City Tax" in der Drucksache 17/18196 nachlesen. Gern sage ich Ihnen aber schon heute zu, mich auch künftig dafür einzusetzen, dass zusätzliche finanzielle Mittel für mehr Sauberkeit und Ordnung eingesetzt werden und damit auch dem Akzeptanzerhalt des Tourismus dienen.

Das Haushaltsrecht ist laut Verfassung allein dem Parlament vorbehalten. Doch wenn Sie oder andere Bürgerinnen und Bürger Vorschläge haben, bestimmte Aufgaben zu finanzieren, dann können Sie sich an Ihre Berliner Abgeordneten wenden und ihre Vorschläge einbringen. Daneben formulieren alle demokratischen Parteien regelmäßig politische Programme und Ziele zu Fragen der Verteilung der Haushaltsmittel. Beschlüsse von Parteitagen führen gelegentlich zu Beschlüssen des Bundestages, der Landesparlamente oder der kommunalen Ebenen. Dies ist auch in Berlin so. Der sicherste Weg, Entscheidungsprozesse mitgestalten zu können, ist, sich aktiv in einer demokratischen Partei einzubringen.

Bringen Sie sich ein, machen Sie mit, bei der politischen Gestaltung! In diesem Sinne danke ich Ihnen noch einmal für die wertvollen Denkanstöße. Ich verspreche Ihnen, dass ich ihre Anregungen im Hinterkopf behalte und mich weiterhin für Bürgerbeteiligung einsetze.

Beste Grüße
Frank Jahnke