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Frage von Maria H. •

Frage an Kirsten Tackmann von Maria H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Wie stehen Sie zum Thema Massentierhaltung in der heutigen Landwirtschaft? Sollte der Staat nicht Grenzen festlegen, wieviele Tiere maximal in einem Stall gehalten werden dürfen? Welche Tierzahlen würden Sie bei Schweinen, Rindern und Geflügel als Höchstgrenzen festlegen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Herbst,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage zur Tierhaltung. DIE LINKE lehnt den Begriff „Massentierhaltung“ ab. Doch wir stellen uns der dringend notwendigen Diskussion, die hinter diesem Begriff steht.

„Massentierhaltung“ ist dank einem geschickten politischen Marketing zu einem politischen Kampfbegriff geworden, obwohl die Bedeutung dieses Begriffs äußerst umstritten ist. Während nach Spiller/Kayser (2011) 500 Rinder, 1.000 Schweine und 5.000 Hühner die Schmerzgrenze sind, werden unterdessen auch 30.000 Öko-Hennen an einem Standort mit Eierlegen beschäftigt. Für andere sind bereits 100 Tiere viel zu viel.

Diese Zahlenspiele gehen nach Auffassung der LINKEN an der eigentlichen Fragestellung vorbei. Es geht nicht um einen Zählappell im Stall, schon gar nicht ausschließlich. Sondern es muss uns allen um mehr Tiergesundheit gehen. Ein grünes Verbot der „Massentierhaltung“ ist deshalb eine viel zu pauschale Forderung. Aber die konservativ-liberale Behauptung, es gebe in Deutschland nur bäuerliche und keine industrielle Tierhaltung, ist ebenso absurd wie realitätsverdrängend. Es gilt die alte politische Weisheit: wer will, dass alles bleibt wie es ist, will nicht, dass es bleibt.

DIE LINKE will einen gesellschaftlichen Dialog auf der Grundlage sachlicher und klarer politischer Positionen. Wir bekennen uns zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung als integrativen Teil der Landbewirtschaftung in den Regionen. Das schließt Kritik an einigen Entwicklungen ausdrücklich ein. LINKE Agrarpolitik nimmt diese kritische Debatte auf, lässt aber auch die landwirtschaftlichen Realitäten einfließen – ohne erhobenen Zeigefinger.

Wir wollen verändern, aber die tierhaltenden Betriebe als Verbündete und Teil dieser Veränderungen gewinnen. Das heißt, die Akteure weder an den Pranger zu stellen, noch ein Festhalten am Status Quo. Trotzdem dürfen die Rahmenbedingungen einer sozial und ökologisch blinden Marktordnung nicht ausgeblendet werden, solange es (noch) keine Mehrheiten gibt, sie zu ändern. Und dabei darf auch nicht vergessen werden, dass die real existierenden Lebensmittelpreise bezahlbar bleiben müssen für Menschen, denen der Staat etwas mehr als vier Euro pro Tag für Lebensmittel zugesteht.

Angesichts der vielfältigen Probleme im Zusammenhang mit der Tierhaltung geht es eben nicht nur um Quantität, sondern es muss um Qualität der Tierhaltung insgesamt gehen. Es wird eine sozial-ökologische Debatte für mehr Tiergesundheit gebraucht.

Dabei ist die Größe oder - noch wichtiger - die Dichte der Nutztierbestände im Stall und in der Region nur eines von vielen Kriterien. Andere sind beispielsweise die regionalen Nährstoffkreisläufe, regionale Verfügbarkeit/Belastbarkeit mit Wirtschaftsdünger oder die so wichtige Einbindung gewerblicher Tierhaltungsanlagen in regionale Landwirtschaftskreisläufe. Für diese Qualität der Tierhaltung ist die Größe eines Bestandes von untergeordneter Bedeutung, so lange absurde Größenordnungen von Megaställen wie 40.000 Schweine oder 400.000 Hähnchen an einem Standort nicht erreicht werden.

Hier bin ich voll und ganz bei Ihnen. Hier muss die Politik regional- und standortbezogene Obergrenzen für die Größe und Dichte von Beständen für alle Nutztierarten festlegen, die sich insbesondere aus Tiererkrankungsrisiken und Erfordernissen bei ihrer Bekämpfung ableiten (epidemiologische Einheiten) und ökologische Kriterien berücksichtigen. Dazu muss die Forschung belastbare Daten- und Wissensgrundlagen schaffen. Das ist auch aus demokratischen Erwägungen wichtig, weil der Krieg in den Dörfern und kleinen Städten dann nicht mehr gegen absurde Größenordnungen geführt werden muss, was das Klima zwischen ländlicher Bevölkerung und Landwirtschaftsbetrieben weiter abkühlt. Unterhalb dieser Obergrenzen aber muss entscheidend sein, wie die Tiere gehalten, wie sie betreut werden und unter welchen Bedingungen die Beschäftigten arbeiten. Dazu gehört eine integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung und eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tierärzteschaft.

Eine optimale Tierhaltung bei einer guten Bestandsbetreuung ist aber auch nur eine Seite der Medaille. Es muss auch mehr Entscheidungskompetenz über die Genehmigung von Stallanlagen auf die kommunale und damit regionale Ebene verlagert werden. Wer eine standortgerechte Landwirtschaft will, muss den Menschen vor Ort mehr Mitsprache darüber einräumen. Denn der Protest gegen Tierhaltung ist häufig keine grundsätzliche Ablehnung, sondern richtet sich oft gegen reale oder tatsächliche Fremdbestimmung, konkrete Haltungsformen und mangelnde Transparenz.

Ich hoffe Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben. Weitere Informationen zur Agrarpolitik der LINKEN finden Sie auf www.nachhaltig-links.de

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Kirsten Tackmann