Martin Rabanus im dunklen Anzug mit roter Krawatte
Martin Rabanus
SPD
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Frage von Chris R. •

Frage an Martin Rabanus von Chris R.

Lieber Herr Rabanus,

Sie haben für den Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den "IS" in Syrien gestimmt. Mich interessiert warum, können Sie mir dazu bitte eine Antwort geben?

Hintergrund: ich will garnicht darauf abzielen, dass Ihre Partei mal dem Frieden verpflichtet war - und zwar über transatlantische Nibelungenbündnistreue hinaus.
Nein, ich selbst würde mir, bevor ich an einer derartigen Abstimmung teilnehmen müsste, folgende Fragen stellen und hoffe, dass auch Sie sich ähnliche gestellt haben:

- was genau sollen die deutschen Streitkräfte dort tun?
- was sollen sie dabei erreichen?
- Ist das Ziel ausreichend genau definiert, um seine Vollendung oder das Scheitern zu konstatieren und den Einsatz dann zu beenden?
- Ist das Entsenden von deutschen Einheiten geeignet, die Problematik vor Ort zu beenden oder zu verbessern? Wenn ja, wie?
- Haben derartige Entsendungen in der Vergangenheit Erfolg oder Misserfolg gezeigt?
- Sind die Einsätze durch internationales Recht gedeckt?

Ich erwarte mit Spannung Ihre Antwort,
mit freundlichen Grüßen,

C.R.

Martin Rabanus im dunklen Anzug mit roter Krawatte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Rückert,

haben Sie Dank für Ihr Schreiben vom 17. Dezember 2015, in dem Sie Ihre kritische Haltung zum Einsatz der Bundeswehr gegen die islamistische Gruppe IS zum Ausdruck bringen. Im Folgenden werde ich auf die Beweggründe meiner Entscheidung zum Bundeswehrmandat eingehen.

Die Krisen dieser Welt lassen uns nicht unberührt – nicht nur weil tausende Flüchtlinge uns täglich daran erinnern. Vor allem der Syrienkonflikt ist extrem verworren und eine einfache Lösung gibt es genau so wenig wie die Sicherheit, in Bezug auf Syrien immer die richtige Entscheidung zu treffen. Die Solidarität mit Frankreich ist gerade im Europa unserer Zeit ein wichtiges Gebot. Die Unterstützung des militärischen Einsatzes Frankreichs im Kampf gegen den IS muss aber auch aus sich selbst heraus Sinn machen. Eins jedoch ist klar: Dem IS, der Grausames und Unvorstellbares, Massenmorde, Versklavung von Frauen und Mädchen, die Tötung „Ungläubiger“ und die Zerstörung der Kultur und des Lebens der Menschen in der Region und terroristische Anschlägen über die Region hinaus, sei es im tunesischen Sousse, in Beirut, Ankara oder Paris zu verantworten hat, muss Einhalt geboten werden. Dazu braucht es viele verschiedene Maßnahmen.

Mehrere Strategien – Humanitäre Hilfe und Verhandlungen als Grundlage

Humanitäre Hilfe und politische Lösungen für einen nachhaltigen Frieden sind die Grundlage für diesen Einsatz. Als Konsequenz aus dem Post9/11-Feldzügen soll der Kampf gegen den IS mit der Einbindung regionaler Kräfte – auf militärischer aber vor allem auf politischer Ebene – die Fehler aus dem früheren Krieg gegen den Terror nicht wiederholen. Darüber hinaus ist es ein weiteres wichtiges Ziel eine Zukunftsperspektive für die Bewohner in den besetzten Regionen zu schaffen. Nur wenn die Menschen eine Perspektive haben und Möglichkeiten sehen, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen, werden sie für die Verführer des Islamischen Staates kein Rekrutierpool mehr sein können.
Deshalb sind mit dem Einsatzmandat der Bundeswehr verschiedene andere, nicht-militärische Strategien verbunden. So hat Deutschland die humanitäre Hilfe in den Flüchtlingslagern in den Nachbarstaaten Syrien mit über 1,1 Milliarden Euro unterstützt und stellt auch in 2016 insgesamt 700 Millionen Euro bereit, die vor dem IS flüchtenden Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Ein weiterer Aspekt ist der politische Prozess, zu dem Außenminister Steinmeier und seine Kollegen die Verhandlungspartner im Nahen und Mittleren Osten beständig anhalten. Wie auch in Libyen eine Einigung für eine politische Lösung für die zerstrittenen Parteien erreicht werden konnte, soll dies in einem Format unter internationaler Teilnahme, ähnlich den Iran-verhandlungen, ebenfalls gelingen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA ist es im Rahmend es so genannten Wiener Prozesses gelungen, die Machthaber in Syrien, ausländische Unterstützerstaaten sowie die involvierten Rebellengruppen an einen Verhandlungstisch zu bekommen. Nach jetzigen Stand soll nach einem angestrebten Waffenstillstand im Sommer 2016 eine Übergangsregierung aus Regierung und Opposition eingesetzt und 18 Monate später Neuwahlen abgehalten werden. Die befriedeten Gebiete sollen dann schnellstmöglich Strom-, Wasser- und eine medizinische Grundversorgung erhalten. Nur die Rückkehr zu einem geordneten Leben wird dem IS den Nährboden entziehen können. Der Wiener Prozess ist daher keine Garantie für stabilere Verhältnisse aber er macht Hoffnung. Gleichzeitig müssen die globalen Finanzströme des IS ausgetrocknet werden, damit der Zu-fluss an Finanzmitteln ausbleibt. Hier müssen wir eindeutig noch härter vorgehen.

Islamismus in Europa begegnen – Zivilgesellschaft und Sicherheitskräfte

Dieses Vorgehen soll langfristig mehr Stabilität in die Region und Sicherheit für die Menschen bringen. Gleichzeitig muss der Islamismus auch in Europa bekämpft werden. Auch hier wer-den nur parallele Strategien die Ziele erreichbar machen. Einerseits sollen sicherheitspolitische Maßnahmen, etwa die innereuropäische Zusammenarbeit der Polizei(en) und die Ermittlungsbehörden wie Bundeskriminalamt oder Nachrichtendienste gestärkt werden. Andererseits sollen zivilgesellschaftliche und soziale Maßnahmen der Radikalisierung junger Menschen in Europa Einhalt gebieten. So hat Ministerin Schwesig 2015 das mit 40 Millionen Euro finanzierte Programm „Demokratie Leben!“ ins Leben gerufen. Damit werden Aussteigerpro-gramme für Islamisten und andere Radikale finanziert, aber auch Jugendprogramme wie Völkerverständigung und Respekt in Wiesbaden, die Jugendliche vor Radikalisierung schützen sollen.

Begründetes Mandat – UNO fordert Engagement gegen Bedrohung

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15. August 2014 und der Resolution 2199 vom 12. Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20. November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht. Die UN rief die Staaten darin dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dieser Bedrohung zu begegnen. Der Ein-satz ist deshalb aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtlich legitimiert, denn Deutschland unterstützt mit seinem Engagement seinen europäischen Nachbarn Frankreich sowie weitere Länder wie den Irak gegen die Terrorgruppe ISIS. Grundlage dafür ist das Recht auf kollektive Selbstverteidigung, wie sie in Artikel 51 der VN-Charta zum Ausdruck gebracht wird.

Militärisches Engagement nicht ohne politischen Prozess

Unabhängig davon ist Deutschland bereits in der Region und im Kampf gegen die Islamisten von Daesch (arabischer Name des IS) engagiert. Seit Sommer 2014 trainieren im Irak kurdische Peschmerga mit Waffen aus Deutschland um im Kampf gegen die Islamisten zu bestehen. Erfolge dieser Hilfe-zur-Selbsthilfestrategie sind bereits nachvollziehbar. Die Kurden konnten ihre Gebiete halten und dort vielen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie aus IS-Gebiet Flüchtenden Schutz bieten und stellenweise sogar die Islamisten zurückdrängen, und sogar die Yesidenstadt Sindjar befreien. Das Syrienmandat der Bundeswehr verfolgt diesen Ansatz weiter. Die militärische Strategie Deutschlands und seiner Verbündeten gegen den IS ist es, den Nachschub abzuschneiden, seine organisatorischen Fähigkeiten zu beschneiden und ihm die Rückzugsräume zu nehmen. Konkret bedeutet dies: IS-Kontrolle über Grenz-übergänge zu Irak und Türkei zu blockieren, Ölgeschäfte einschränken, Kommunikations- und Kommandostrukturen auszuschalten. Das militärische Ziel ist die Eindämmung des IS.
Parallel dazu soll für Syrien eine Nachkriegsordnung erreicht werden. Dabei werden die politischen und militärischen Kräfte – außer dem IS – angehalten, eine langfristige Lösung zu finden. Viele der syrischen Flüchtlinge wollen schnellstmöglich in ihre Heimat zurück. Die Einbeziehung der geflüchteten Syrer in und außerhalb Syriens soll die Planungen für eine Zeit nach den Krieg und den Wiederaufbau so konkret wie möglich machen.

Meiner Entscheidung ging die Abwägung voraus, ob und inwiefern militärische Gewalt angemessen ist und welche Alternativen es dazu geben könnte: Aus meiner Sicht gibt es Situationen der Entrechtung und Unterdrückung, die den Einsatz militärischer Gewalt rechtfertigen. Der IS mit seinem überregionalen Anspruch ist kein Verhandlungspartner, der Zugeständnissen Raum geben würde.
Den Einsatz bewaffneter Streitkräfte verstehe ich nicht als Lösung sondern allenfalls als Unterstützung für die Erreichung politischer Ziele, die in Verhandlungen mit allen verhandlungs-bereiten Akteuren erarbeitet werden sollen. Dieser Einsatz wird eine Herausforderung für alle Beteiligten und wird keine einfache Sache. Dennoch finde ich, dass wir es versuchen müssen: humanitäre Hilfe, politischer Prozess und militärische Eindämmung des IS.

Nach Abwägung all dieser Umstände habe ich mich entschieden, dem Mandat zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zur Unterstützung der Franzosen zuzustimmen.

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Rabanus, MdB

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