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Frage von Jonas F. •

Frage an Peter Schimke von Jonas F. bezüglich Gesundheit

Pflegebedürftige und Pflegekräfte werden tagtäglich im Krankenhaus mit unwürdigen Situationen konfrontiert. Patienten können nicht fachgerecht und individuell gepflegt und gefördert werden. Hygienestandards können nicht eingehalten werden, weil sowohl die Pflegekräfte, als auch alle anderen Mitarbeiter immer mehr Arbeitsaufkommen haben.
Einige Stationen fallen bald auseinander, weil die Kliniken nicht investieren können.
Warum wird an denen gespart, die sich nicht mehr wehren können? Warum kommen Veränderungen oder scheinbare Verbesserungen nicht im Krankenhaus an? Wie sehen Sie die Idee einer Personaluntergrenzeverpflichtung, die die Kliniken sanktionieren soll, wenn sie nicht die Mindestanzahl der Pflegekräfte in sensiblen Bereichen gewährleistet?
Welche konkreten Maßnahmen halten Sie für wirksam? Sind Sie für eine Pflegekammer?
Halten Sie weitere Maßnahmen überhaupt für notwendig?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Fregien,

anbei mein Versuch, Ihre Fragen zu beantworten:

Die Gesundheitsreformen der letzten Regierungen haben die Ungerechtigkeit im Gesundheitssystem verschärft. Unternehmen wurden entlastet, Versicherte müssen allein für steigende Kosten aufkommen. Gleichzeitig machen Pharmaindustrie und Krankenhauskonzerne Milliardenprofite mit Versichertengeldern. Gesetzliche Krankenkassen müssen miteinander konkurrieren – dabei müssten der Bedarf und die Versorgung im Mittelpunkt stehen. Leistungen wurden gekürzt, Zuzahlungen und Zusatzbeiträge für die Versicherten eingeführt. Wer heute krank wird, muss oft tief in die Tasche greifen. Allein der Zahnersatz kann zur Existenzfrage werden. In Krankenhäusern gibt es viel zu wenige Pflegekräfte. Seit Jahren werden dringend notwendige Investitionen in den Krankenhäusern zurückgehalten.

Wir wollen ein solidarisches, gerechtes und barrierefreies Gesundheitssystem, in dem die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt steht. Gesundheit darf nicht weiter zu einem Markt verkommen, auf dem die Profite mehr zählen als die Menschen: Statt immer weiter zu privatisieren, muss das Gesundheitssystem als Teil des Sozialstaats öffentlich organisiert werden. Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens steht nicht nur einer guten Versorgung, sondern auch guten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten entgegen. Wir wollen Krankenhäuser bedarfsgerecht finanzieren und den Personalmangel bekämpfen. Die ambulante gesundheitliche Versorgung wollen wir sowohl in den Städten als auch auf dem Land verbessern.

Seit Anfang der 1990er Jahre werden Krankenhäuser zu Wirtschaftsunternehmen nach Kriterien des Marktes und des Wettbewerbs umgebaut. Viele wurden privatisiert. Es geht oft nur noch um Kosteneinsparung und Gewinnmaximierung. In den Krankenhäusern herrscht Pflegenotstand – es fehlen mindestens 162.000 Stellen, darunter 100.000 Pflegekräfte. Im europäischen Vergleich ist Deutschland Schlusslicht beim Pflegepersonal. Immer weniger Beschäftigte müssen immer mehr Patientinnen und Patienten in kürzerer Zeit versorgen. Die Folgen: fehlende Zuwendung, mangelnde Hygiene bis hin zu mehr Unfällen und Todesfällen. Nach vielen Studien steigt das Sterberisiko mit steigender Arbeitsbelastung: Wenn eine Pflegekraft einen Patienten oder eine Patientin mehr zu versorgen hat, steigt das Risiko um bis zu neun Prozent. Ein großer Anteil der Infektionen durch Keime im Krankenhaus kann auf den Personalmangel zurückgeführt werden. Krankenhausinfektionen haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen und führen jährlich zu bis zu 15.000 vermeidbaren Todesfällen. Rund die Hälfte der Todesfälle wäre durch bessere Hygiene vermeidbar. Personalmangel im Krankenhaus gefährdet die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.

Um den Personalnotstand zu bekämpfen, will DIE LINKE eine gesetzliche Personalbemessung einführen. Wir brauchen verbindliche bundesweite Vorgaben, wie viele Pflegekräfte für wie viele Patientinnen und Patienten vorhanden sein müssen. Wir brauchen 100.000 Pflegefachkräfte mehr!

Ökonomischer Wettbewerb zwischen Krankenhäusern führt dazu, dass zwischen lukrativen Patientinnen und Patienten und solchen, mit denen kein Gewinn zu machen ist, unterschieden wird. Viele Patientinnen und Patienten fragen sich, ob eine Behandlung aus ökonomischen Gründen erfolgt oder unterlassen wird. Stationen werden geschlossen, wenn sie sich nicht lohnen, obwohl sie gebraucht werden. Das System der Fallpauschalen (DRGs) zwingt Krankenhäuser dazu, mit dem wenigsten Personal in der kürzesten Zeit die meisten und schwersten »Fälle« zu behandeln, um nicht in die roten Zahlen zu geraten. Gleichzeitig machen private Krankenhauskonzerne Gewinne auf Kosten der Beschäftigten. Für Patientinnen und Patienten bedeuten Fallpauschalen oft zu frühe Entlassung und Wiedereinweisung (»Drehtüreffekt«). Diese Logik muss durchbrochen werden.
Zur Pflegekammer:
Mit einer Pflegekammer sprechen die Pflegenden nicht mit einer Stimme, sondern werden eher autoritär gegängelt. Die Pflegekammer kann nichts, aber auch gar nichts zur Verbesserung des beruflichen Alltags der Pflegenden beitragen. Im Gegenteil: Wir halten sie sogar für schädlich, weil »die Politik« denken wird, dass sie den Pflegenden mit der Pflegekammer ja geholfen hat. Die Einrichtung wird zudem viel Kraft, Geld und Zeit kosten und für eine wirkliche Verbesserung der Situation der Pflegenden fehlen. Die Probleme der Pflegenden, eigentlich auch die Lösungen, sind allen Verantwortlichen bekannt. Diese können nur gemeinsam von den Betroffenen wirksam durchgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen

Peter Schimke