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Frage von Niklas N. •

Wenn der öffentliche Sektor in Deutschland keine neuen Schulden machen soll, wo sollen die finanziellen Mittel für Investitionen und Renditen bei Privathaushalten und -unternehmen herkommen?

Sehr geehrter Herr F.,

ich habe eine Frage zur "Schwarzen Null" bzw. zur Schuldenbremse, für die die FDP sich einsetzt. Ohne für mich reklamieren zu können, ein besonderer Experte in Sachen Makroökonomie zu sein, scheint es nach meinem Verständnis Konsens in der Volkswirtschaftslehre zu sein, dass die Summe der weltweiten Schulden exakt der Summe der weltweiten Vermögen entspricht. Demzufolge müssten Schulden gemacht werden, damit an anderer Stelle Renditen erwirtschaftet werden können.

Meine Frage lautet daher: Wenn, wie von der FDP befürwortet, der öffentliche Sektor in Deutschland keine neuen Schulden machen, stattdessen sogar vermehrt Schulden abbauen soll, wo sollen die Mittel für Investitionen und Renditen bei Privathaushalten und -unternehmen herkommen?

Die FDP ist für mich eine Partei, die eng mit der Wirtschaft kooperiert. Mir ist bislang schlicht nicht klar, inwiefern der Verzicht auf neue Schulden im Interesse der Wirtschaft sein soll. Über Aufklärung freue ich mich.

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Sehr geehrter Herr N.,

ich danke Ihnen für Ihre Nachricht. Ich hoffe, ich kann mit meiner Antwort Ihre Fragen beantworten und einige Missverständnisse aufklären. 

Wir Freie Demokraten setzen uns nicht für die „Schwarze Null“ ein. Wir setzen uns für die Einhaltung der Schuldenbremse ein, die in der Verfassung verankert ist. Zwischen beidem gibt es große Unterschiede: Die „schwarze Null“ heißt übersetzt, dass der Staat keine Schulden machen darf, also genauso viel in einem Jahr ausgibt, wie er im selben Jahr einnimmt. Die Schuldenbremse hingegen erlaubt eine Verschuldung des Bundes von 0,35% des BIP korrigiert durch die Konjunkturkomponente. Diese erlaubt bei einer schlechten Wirtschaftslage eine höhere Verschuldung und bei einer besseren Konjunktur weniger Verschuldungsspielraum. Im Jahr 2021 wäre so im Rahmen der Schuldenbremse eine Verschuldung von fast 80 Mrd. Euro möglich gewesen, was nicht bedeutet, dass wir diesen Spielraum auch komplett genutzt hätten. Sie sehen also, bei weitem keine „schwarze Null“.

Deutschland war und ist in einer schwierigen konjunkturellen Lage, weshalb sich die FDP klar für eine verantwortungsvolle Nutzung des Spielraums ausgesprochen hat und auch der Ausnahmesituation zu Beginn der Coronakrise zustimmte. Diese erlaubt dem Bund eine höhere Verschuldung als im Rahmen der Schuldenbremse vorgesehen.

Klar ist aber auch, dass wenn die konjunkturelle Lage besser ist – es also deutliches Wirtschaftswachstum gibt – der Staat seine Verschuldung zurückfahren sollte, um auch in zukünftigen Krisen wieder handlungsfähig zu sein. Genau das hat Deutschland in den letzten Jahren gemacht und konnte aufgrund einer Schuldenquote von ca. 60% die Krise besser bewältigen als andere zu hoch verschuldete Länder. Eine zu hohe Verschuldung ist nämlich auch bei Staaten nicht folgenlos: Falls die Verschuldung eines Landes bereits so hoch ist, dass es erste Zweifel gibt, ob vorhandene Schulden bedient werden können, steigen die Zinsen, also die Kosten für neue Verschuldung und Umschuldung alter Schulden.   

Ihre Gleichung muss ich in einem wichtigen Punkt anpassen. Die weltweiten Schulden gleichen den weltweiten Geldvermögen. Nicht eingeschlossen in dieser Gleichung sind die Sachvermögen. Also etwa Häuser oder Maschinen und – mittlerweile immer wichtiger – geistiges Eigentum, wie Patente oder Lizenzen. Der Zusammenhang, den Sie nun in Ihrer Frage beschreiben, funktioniert genau andersherum. Es müssen nicht Schulden gemacht werden, um Rendite zu erwirtschaften; um Renditen zu erwirtschaften werden Schulden gemacht. 

Sehr vereinfachend beschrieben funktioniert der Prozess folgendermaßen: Ein Unternehmen hat z.B. eine Idee für ein Produkt, mit dessen Verkauf es Geld verdienen könnte. Um dieses Produkt zu entwickeln, braucht es jedoch Geld. Wenn der Zins niedriger ist als die Rendite, die das Unternehmen mit dem Produkt erwirtschaften würde, lohnt es sich das Geld zu leihen, um das Produkt zu entwickeln. Andersherum würde es wenig Sinn machen. Wenn jemand einem Unternehmen einfach Geld leiht, ohne dass dieses Unternehmen ein mögliches gewinnbringendes Projekt umsetzen will, würde auch keine Rendite erwirtschaftet werden. 

Mit Blick auf die Investitionen, die wir dringend brauchen, um die drei "Ds", Demographie, Digitalisierung und insbesondere Dekabonisierung zu bewältigen, sind private Investitionen extrem wichtig, denn der Staat allein kann diese notwendigen Transformationen nicht bewältigen. Dafür ist sein Anteil an Investitionen viel zu gering (grob Staat 1 zu Privat 8). Wir glauben, dass gerade im Bereich der Digitalisierung und des Klimaschutzes Investitionsmöglichkeiten für Private bestehen und „nur“ genutzt werden müssen. Hier muss der Staat durch bessere Bedingungen unterstützen statt aufzuhalten, also etwa durch weniger Bürokratie, schnellere Verfahren und bessere Rahmenbedingungen. Genau dies haben FDP, Grüne und SPD in ihrem Sondierungspapier festgehalten.

 

In der Hoffnung, meine Position ein wenig klargestellt zu haben, verbleibe ich

mit besten Grüßen

Otto Fricke

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