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Thorsten Dinkela
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Frage von Josephine S. •

Wie blicken Sie auf den Atomausstieg zurück, der zwar zu einem Boom grüner Energien geführt hat, aber auch zu zunehmender Abhängigkeit von russischem Erdgas oder dem Kohlebergbau führte?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Frau S.,

Ihre Frage beruht auf der Annahme, dass der Atomausstieg zu einer steigenden Abhängigkeit von russischem Erdgas und/oder Kohlebergbau geführt hat. In Bezug auf Erdgas ist die Annahme komplett falsch und beim Kohle- bzw. Braunkohlebergbau stimmt sie nur bedingt.

Beim Erdgas ist es so, dass die Energieträger auf unterschiedlichen "Märkten" eingesetzt werden. Erdgas wird hauptsächlich auf dem Wärmemarkt eingesetzt. Atomkraft ist auf den Strommarkt begrenzt. Und dort wo Erdgas im Strommarkt eingesetzt wird, steht Erdags auch nicht in Konkurrenz zur Atomkraft, da Atomkraft zur Bereitstellung von Grundlast eingesetzt wurde/wird und Erdgas entweder auf Basis und Kraft-Wärmekopplung oder zur Erzeugung von Spitzenlast genutzt wird. Folge: Zusätzliche Nutzung von Atomkraft würde nicht zu einer Senkung von Gas im Strombereich führen. Daher ist die These, dass der Atomausstieg zu einer zusätzlichen Abhängigkeit von russischem Erdgas geführt hat, technisch gesehen nicht aufrecht zu erhalten. 

In Bezug auf die Nutzung von Kohle und Braunkohle muss man klar konstatieren, dass wir durch den Atomausstieg eine längere Nutzung dieser fossilen Energieträger in Kauf genommen haben, wenn man davon ausgeht, dass die Alternative gewesen wäre, erst aus der Kohle auszusteigen und dann den Atomausstieg zu bewältigen. Unabhängig davon ist aber auch die Nutzung von Stein- und Braunkohle in der letzten Dekade reduziert worden. Die Abhängigkeit von diesen Rohstoffen ist nicht gestiegen. 

Das wir als B90/Die Grünen erst aus der Atomenergie aussteigen wollten und dann aus den fossilen Brennstoffen basiert auf der Tatsache, dass wir das Risiko der Atomtechnik (Tchernobyl, Fukushima, Atommüll usw.) höher einschätzen als die zusätzlichen CO2 Emissionen der fossilen Energieträger. Welches Risiko höher einschätzen ist, kann sicher kontrovers diskutiert werden, aber die Entscheidung ist spätestens mit der Entscheidung zum Ausstieg im Jahr 2011 getroffen worden.

Um abschliessend Ihre Frage zu beantworten: Der Fehler war, dass die Schwarz-Gelbe Koalition im Jahr 2010 den Austieg aus der Atomkraft aufgehoben hat und dann anschliessend die Energiewende in den letzten 10 Jahren verzögert/blockiert hat. Den Preis müssen wir nun alle zahlen. 

Zum Schluss möchte ich nur anmerken: Es gibt zwei Nationen (Japan und Frankreich) der G7 Staaten,  die komplett auf die Atomenergie gesetzt haben. Angesichts dieser beiden Beispiele kann ich die Diskussion, warum ausgerechnet die Atomkraft uns "retten" soll, nicht verstehen.