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Frage von Annette S. •

Frage an Ulli Nissen von Annette S. bezüglich Lobbyismus & Transparenz

Aus den Medien erfahren wir, dass Politiker sich aus den Geldflüssen der Steuerzahler während der Corona Krise bereichert haben. Aus der Migrationskrise ist bekannt, dass es bei der Arbeitnehmer Wohlfahrt politische Verbindungen gab, die sich ebenfalls aus den Geldflüssen der Steuerzahler bereicherten.
Würden Sie eine Gesetzes Initiative unterstützen, welche die Kontrollfunktion z.B. bei Arbeiter Wohlfahrt in unabhängige nicht in einem Interessenkonflikt befindliche Hände abzugeben hat?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Seliger,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 8. Juni 2021.

Ich habe mich genauso wie Sie geärgert über die zahlreichen Skandale und Korruptionsvorfälle. Jeder Einzelne ist nicht hinnehmbar, muss aufgeklärt werden und Konsequenzen müssen jeweils gezogen werden.

Nach dem Finanzskandal um den mittlerweile insolventen Zahlungsabwickler Wirecard hat der Bundestag neue Regeln für die Wirtschaftsprüfer und die Finanzaufsichtsbehörde BaFin beschlossen.

Mit dem Finanzmarktintegrationsstärkungsgesetz (FISG) werden gesetzgeberische Konsequenzen aus dem Skandal gezogen. Die Strukturen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) werden gestrafft, die Haftung der Wirtschaftsprüfer deutlich verschärft und die Bilanzkontrolle einstufig organisiert.

Eine zentrale Rolle im Wirecard-Skandal nehmen die Wirtschaftsprüfer ein. Deshalb werden nun die Rotationsfristen verkürzt und die Haftung für fehlerhaftes Verhalten verschärft. So wird, wie in anderen großen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, gegenüber Unternehmen von öffentlichem Interesse die unbeschränkte Haftung bei grober Fahrlässigkeit eingeführt.

Weil der Bundesfinanzminister und die SPD-Fraktion im Bundestag im Sommer 2020 auf gesetzliche Änderungen gedrängt haben, konnte das Gesetz im Mai 2021 auf den Weg gebracht werden. In den parlamentarischen Beratungen wurden noch Erkenntnisse aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses eingearbeitet. So wird die Abschlussprüferaufsichtsstelle der Wirtschaftsprüfer (APAS) zu mehr Transparenz und besserer Kommunikation verpflichtet.

Die Finanzaufsicht ist zukünftig direkt für die Bilanzkontrolle zuständig. Die sogenannte Bilanzpolizei ist Geschichte und wird in die BaFin integriert. Damit kann sie künftig eigenständig forensische Prüfungen durchführen.

Darüber hinaus fordert die SPD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, in allen Bundesoberbehörden wirksame Integritäts-Regelungen für Finanzgeschäfte ihrer Beschäftigten einzuführen. Durch klare Regelungen muss insbesondere bei finanzmarktsensiblen Informationen auch nur der Anschein einer Vorteilsnahme ausgeschlossen werden.

Gleichzeitig muss der Whistleblower-Schutz verbessert werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierzu ein Positionspapier verabschiedet:
https://www.spdfraktion.de/system/files/documents/fraktionsbeschluss_whistleblowing_20201215.pdf

Im Fall der Arbeiterwohlfahrt zeigt sich ja musterhaft, dass auch eine externe und unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine gute Buchführung bescheinigt hatte. Auf diese externen Berichte muss Verlass sein, was anscheinend nicht der Fall war. Die externe Prüfung hatte leider zu keinen Einwänden geführt, was auch die wesentliche Grundlage für eine Entlastungsempfehlung der Revisor:innen für 2016 und 2017 war.

Für wichtig erachte ich deshalb, dass die Organisationen selbst ihre Kontrollsysteme zusätzlich mit mehreren Kontrollebenen ausstatten, die voneinander unabhängig sind - auch personell. Diese sollen sich gegenseitig kontrollieren, ob die andere Instanz ihren Kontrollpflichten nachgekommen ist. So wäre es etwa bei der Arbeiterwohlfahrt wichtig gewesen, wenn nicht nur die Revisor:innen noch mehr Fragen gestellt hätten, sondern wenn auch höhere Organisationsebenen ihre Aufsichts- und Prüfungspflichten für den Kreisverband erfüllt hätten. Sicherlich werden sich auch einige Mitglieder des ehemaligen Kreisvorstands sehr ärgern, dass die eigene Geschäftsführung ein Eigenleben entwickelt hat. Viele Elemente des Kontrollsystems haben im behandelten Fall also versagt. Es gilt deshalb für jede Organisation, ihre Organisationsstruktur dahin zu verändern, dass Sie resistenter gegen Korruption ist.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre

Ulli Nissen, MdB